Interview mit Selig-Sänger Jan Plewka

Selig
(c) Mathias Bothor

Selig haben Mitte der 90er Jahre den Deutschrock-Sektor mit Evergreens wie „Ohne dich“ diktiert. Vor zwölf Jahren folgte jedoch die plötzliche wie überraschende Auflösung. Seither haben sich die fünf Herren in diversen Projekten und Bereichen ausgetobt. Ebenso plötzlich erfolgt nun die Rückkehr, das neue Album „Und endlich unendlich“ erscheint. Sänger Jan Plewka erklärt, wie es zu dieser Reunion gekommen ist.

"Jeder Alltag tötet Liebe – damals war's unsere, heute diese" – fasst das die Trennung von Selig 1997 richtig zusammen?

Gut erkannt. Wir waren zwar im Rock’n’Roll-Alltag unterwegs, aber auch das ist ein Alltag. Es waren tolle Restaurants und schicke Hotelzimmer. Wenn aber alles immer gleich bleibt, tut man sich schwer. Uns hat sozusagen die Liebe getötet.

Wie ist es schließlich zur Reunion gekommen?

Stoppel (Stephan Eggert, Schlagzeuger) und ich saßen bei ihm am Küchentisch und haben über’s Leben sinniert. Selig waren zehn Jahre her und wir haben uns gefragt, wie es den anderen ginge, schließlich hatte man jahrelang nicht mehr miteinander gesprochen. Irgendwie haben wir gehofft, dass der Groll vorbei war, also wurde zum Telefon gegriffen, sich getroffen und die Karten auf den Tisch gelegt. Das war nicht witzig, sondern ziemlich intensiv und voll von Diskussionen, aber man konnte bereits damals diese Flamme der Leidenschaft erkennen. Dieses erste Treffen war im September 2007 und wir haben bis in den Mai 2008 nur telefoniert, gemailt und geredet. Wir haben uns überlegt, wie eine eventuelle gemeinsame Platte aussehen könnte und haben dazu einen Plan entworfen. Als wir zum ersten Mal ein gemeinsames Selig-Riff gespielt haben, war das wie eine Art Nahtoderlebnis. All die Erinnerungen und Emotionen der damaligen Zeit kamen wieder hoch. Uns hat ein unheimliches Glücksgefühl ergriffen. Seitdem sind wir wieder Selig und verstehen uns – musikalisch wie auch menschlich – wieder blendend. Es ist eine schöne, aber auch verrückte Zeit, die viel mit Frieden und Vergebung zu tun hat. Das hört man der Platte zwischen den Zeilen auch an. Es ist das bislang positivste Selig-Album geworden.

Warum ist eine Selig-Reunion nötig? Ihr hattet ja alle feine Projekte und Aktivitäten, die Finanzkrise alleine kann es ja nicht gewesen sein.

TempEau und diverse Projekte gibt es natürlich immer noch. Selig ist nach das Einzige, das wir jetzt machen. Ansonsten würden wir verrückt werden, der Alltag würde uns wieder töten. Allerdings stimmt die Bandenmagie zwischen uns. Wir sind fünf unterschiedliche Typen mit großen Egos. Wenn wir zusammen in einem Raum musizieren, ist das etwas Besonders. Der Kreis ist noch nicht geschlossen. Als wir uns damals getrennt hatten, haben sich alle – die Öffentlichkeit wie auch wir selbst – darüber gewundert, warum das so plötzlich geschehen ist. Es gibt eine Art Halbwertszeit bei Selig. Deswegen hat es auch so lange gedauert, bis wir wieder gemeinsam auf der Bühne stehen.

Das heißt, man könnte resümierend zum Comeback sagen: "Und endlich unendlich"?

Genau. Wir haben jetzt diese kleine Tour, spielen dann ein paar Festivals und sind im Herbst in größeren Clubs als Headliner unterwegs. Danach geht es schon wieder ins Studio, also läuft es wohl ganz gut. Den größten Erfolg haben wir wohl schon hinter uns, nämlich dass wir uns überhaupt erst wieder aufgerafft haben und wieder miteinander reden.

Auf dieser Tour werden wir natürlich auch wieder Selig-Klassiker hören. Du hast zuvor bereits von einem Gefühlschaos gesprochen, als ihr an ein altes Riff gezockt habt. Wie schwer war es - technisch oder emotional - die alten Songs wieder zu spielen?

Das war super. Es war eine große emotionale Freude. Wenn man die alten Lieder spielt, sind wieder alle Erinnerungen hochgekommen, wie diese Songs entstanden sind, was man mit ihnen erlebt hat, welche Menschen man kennen gelernt hat. Wie ein Jungbrunnen.

Wie ist das Songwriting für das neue Album vor sich gegangen? Hat jeder sein Süppchen gekocht und mit ins Studio gebracht, oder habt ihr alle Songs bereits im Proberaum gejamt?

Ganz genau, wir haben gejamt. Das war eine riesige Session über ein Monat. Die besten Momente haben wir aufgenommen und auf Platte gebannt.

Auf "Und endlich unendlich" gibt es zahlreiche Geschichten und Exkurse. Siehst du für dich einen inhaltlichen Leitfaden?

Es ist eine sehr friedvolle, versöhnliche Platte, die mit Versöhnung, Frieden und einer gewissen Bruderschaft zu tun hat. Wir haben das Album auch für uns gemacht, es ist eine sehr persönliche Selig-Platte. Selig haben immer schon aus dem Unterbewusstsein agiert, und das war dieses Mal sehr friedvoll. In diesen krisengeschüttelten Zeiten ist es ein Segen, eine solch friedvolle in die Welt zu schicken.

Um kurz von Selig abzuweichen: Du hast bereits angedeutet, dass sämtliche Projekte weiterlaufen. Es hat ja bereits letzten Sommer geheißen, dass ihr ein Album eingespielt habt. Wie sieht da der Status Quo aus?

Wir haben ein Album eingespielt und Stoppel mastert das gerade. Allerdings haben wir momentan keine Plattenfirma, weswegen wir noch überlegen, wie wir dieses veröffentlichen werden. Momentan überlegen wir, ob wir auf unserer Website Adressen einholen sollen und das Album dann an die Leute verschicken, die es auch wirklich haben wollen.

Bei all dem Frieden und bei all der Versöhnung darfst du dennoch ein wenig arrogant sein: Was macht Selig einzigartig?

Das kommt von den fünf Charakteren, die große Extrempole in der Band darstellen, zum Beispiel der Gitarrist und ich oder der Keyboarder und der Bassist. Einzig unser Schlagzeuger ist die Konstante. Da knistert es ständig. Außerdem sind alle gute Musiker, mit denen man wie im Traumzustand spielen kann. Die Schnittmenge dieser fünf Herren ist Selig. Weiters haben wir das Album selbst produziert. Der Geschmack von uns Fünf ist deckungsgleich, deswegen gab es keinen Streit. Diese Summe der einzelnen Teile macht Selig.