Armin van Buuren – Mirage

Das lange Warten hat ein Ende: Zweieinhalb Jahre nach „Imagine“ wurde Armin van Buurens viertes Artistalbum „Mirage“ nun endlich veröffentlicht. Wie kaum ein anderer Produzent und DJ gilt der Niederländer als das Gesicht der Trance-Szene. Weltweit, versteht sich. Gleichzeitig dürfte er sich während der Entstehungsphase einmal mehr die schwierige Frage gestellt haben: Wie kommerziell darf das Album werden, ohne die treue Fangemeinde zu vergraulen? Ein Balanceakt zwischen Pop und Trance.

Mit dem mystischen Intro „Desiderium 207“ zieht Armin seine Hörer gekonnt in seinen Bann. Der Sirenengesang von Susana sorgt direkt für eine zweiminütige Gänsehaut, bevor es nahtlos mit dem Titeltrack weitergeht. „Mirage“ wurde zusammen mit einem echten Streichorchester eingespielt, Bruder Eller van Buuren steuerte ein kantiges E-Gitarrenriff bei. Selten war eine Symbiose aus Trance, Klassik und Rock so stimmig. Auch die Breakbeat-Nummer „This Light Between Us“ mit Christian Burns, der schon bei Tiëstos „In The Dark“ zu hören war, geht unter die Haut und ist eindeutig ein Singlekandidat. Vielleicht ja sogar als Follow-Up zur aktuellen Auskopplung „Not Giving Up On Love“. Das Trance-Pop-Crossover ist radiotauglich, aber ungemein charmant und nicht zuletzt dank Sophie Ellis-Bextor ein echter Hinhörer. Ganz ohne Chart-Appeal kommt hingegen „I Don’t Own You“ aus, das stattdessen auf zart gezupfte Synthis (Vergleiche mit „Toca Me“ sind nicht abwegig) und dezente Vocalfragmente setzt.

Bei „Full Focus“, der ersten Single, kehrt Armin dann zu seinen instrumentalen Wurzeln zurück. Die Grundidee ist stimmig, der schrille Mainsound jedoch zu dominant. Düster und progressiv läutet „Take A Moment“ mit Meredith Calls von Winter Kills im Anschluss den großen Vocal-Mittelteil ein. Eine erste große Enttäuschung ist dabei die neue Kollaboration mit Nadia Ali, „Feels So Good“, die leider nicht mehr als leichten, sommerlichen House-Pop zu bieten hat. Das von Guy Chambers geschriebene „Virtual Friend“ kann dafür mit Tiefgang, Melancholie und organischem Sound à la Gabriel & Dresden punkten, auch wenn Sophie Hunters Stimme zu spröde und beinahe deplatziert wirkt. „Drowning“ mit Laura V ist dynamischer, griffiger, aber im Grunde Vocal-House, der Armins Handschrift völlig vermissen lässt. Erst „Down To Love“ kann wieder richtig überzeugen und erinnert ein wenig an die letzten Gaia-Produktionen, hier allerdings noch mit der sanften Stimme von Ana Criado als Sahnehäubchen.

Im letzten Drittel kommen vor allem Armins Trance-Jünger auf ihre Kosten: „Coming Home“, wieder mit einer Gitarreneinlage von Eller van Buuren, wird die Uplifting-Fraktion begeistern, beim euphorischen „These Silent Hearts“ ist EDM-Legende Brian „BT“ Transeau zu hören. „Orbion“ lässt dann die Zeiten der großen Trance-Hymne aufleben, ohne angestaubt zu klingen, und für „Minack“ arbeitete Armin nach langer Zeit wieder mit seinem Kollegen Ferry Corsten zusammen. Ganz zum Schluss driftet das Album mit dem poppigen „Youtopia“ und Owl City-Sänger Adam Young leider noch einmal in die kommerzielleren Gefilde ab. Nicht unerwähnt bleiben sollten dafür die Bonustracks, die allerdings nur digital bei iTunes erhältlich sind. Wer jedoch ein paar echte Vocal-Trance-Perlen vermisst, sollte sich speziell „Breathe In Deep“ (feat. Fiora), „I Surrender“ (feat. Cathy Burton) und „Love Too Hard“ (feat. Jessie Morgan) nicht entgehen lassen, die es mühelos mit dem regulären Album aufnehmen können.

Letztendlich hat sich Armin van Buuren also für einen cleveren Mittelweg zwischen Szene-Kredibilität und Mainstream entschieden, in dem er klassische Instrumental-Trancer und Vocal-Tracks mit Pop-Attitude in etwa gleichen Mengen präsentiert. „Mirage“ ist zweifelsohne das vielseitigste Album seiner Karriere, mit bekannten und weniger bekannten Feature-Gästen sowie Einflüssen aus House, Songwriter-Pop, Rock und Klassik. Die Ausmaße von Tiëstos „Kaleidoscope“-Desaster sind erfreulicherweise nicht zu befürchten, denn sowohl auf instrumentaler als auch auf vokaler Seite gibt es mehrere Highlights, beispielsweise „Orbion“, „Down To Love“, „This Light Between Us“, „Mirage“ oder „Not Giving Up On Love“. Mit ein paar Enttäuschungen, etwa der Nadia Ali-Nummer oder dem zu seichten „Youtopia“, kann man leben. Kein Trance-Meilenstein, aber ein sehr ordentliches und vor allem abwechslungsreiches Album!

VÖ: 10.09.2010
Armada Music (rough trade)
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