Schandmaul – Traumtänzer

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Ganze anderthalb Jahre hat es gedauert, bis Schandmaul sich aus der selbst auferlegten Schaffenspause wieder zurückmelden. Die Band hatte die Auszeit dringend gebraucht; trotz des kommerziellen Erfolgs des letzten Longplayers „Anderswelt“ hatte man den Eindruck, dass sich ein wenig zu viel Routine in die Schandmaul-Welt eingenistet hatte. Nun ist mit „Traumtänzer“ die neue Platte der Band erschienen – und vor allem die Fans der alten Tage können beruhigt aufatmen. Zwar sind die schelmischen Mittelaltertexte nicht mehr ganz so prägnant, dafür haben Schandmaul wieder frische Kraft getankt und öffnen ihren Sound für frische Ideen, was sich in den 14 neuen Stücken eindrucksvoll wiederspiegelt.

Schon der Opener, das gleichnamige Titelstück, kommt erdig, flott und leicht punkig daher. Vom Arrangement fühlt man sich fast ein wenig an Flogging Molly erinnert, Violine , Drums und Gitarren euphorisieren sich gegenseitig. Im nächsten  Augenblick ertappt man sich beim Mitwippen und Singen. „Der Alchimist“ verfügt dann über eine eher düstere Stimmungslage, die vor allem von Thomas Lindners Stimme lebt, welche er gekonnt zwischen Gesang und Geschichtenerzähler variiert. Der Song ist im Midtempo gehalten,  erstmals kommt auch der Dudelsack zum Einsatz. Es geht auf hohem Niveau weiter: „Auf hoher See“ hat auch die passend maritime Soundausstattung, man fühlt sich an alte Seemanns-Chanties erinnert, was sich dann auch in der Lyrik zum Refrain manifestiert. Eines der absoluten Highlights des Albums.

„Hexeneinmaleins“ überzeugt mit seinem Stakkatorhythmus, mittelalterlichem Text und einem absoluten Ohrwurmrefrain. „Bis zum Morgengrauen“ (Ok, die Titelgebung ist ziemlich einfallslos) überrascht mit Bongos und leichten Latino-Anleihen und widmet sich inhaltlich der im Moment kaum wegdenkbaren Vampirromantik. Bis hierher bewegt sich „Traumtänzer“ auf durchweg hohem Niveau. Bis jetzt. Denn den Song „Die Rosen“ hätte man sich sparen können, eine eher zahnlose Ballade, über die wir schnell hinweghören. Aber das Level steigt auch sogleich wieder an: „Schwur“ mit seinen Gothic-Gitarrenriffs und dem dunklen Gesang geht voll ins Mark.

Weiter geht’s mit „Pakt“: Zunächst erinnert der Rhythmus ein wenig an Ska, dann aber entfaltet sich ein verdammt genialer Folkpunkkracher mit aufspielender Violine und absoluter Ohrwurmgarantie. Es folgt „Der Anker“, eine wunderbare Liebeserklärung, vorgetragen mit charmanter Leichtigkeit und musikalischer Eleganz. Mit „Gea’s Traum“ folgt ein weiteres Highlight des Albums, ein kraftvoller, eingängiger Midtemposong mit Hymnencharakter. Inhaltlich behandelt der Song ein Thema aus dem Buch „Infinity – der Turm“ von Fantasyautor Wolfgang Hohlbein. Im Video zum Song hat die Band dann sogar mit selbigem zusammengearbeitet, den Link findet ihr weiter unten.

Mit „Assasine“ folgt ein treibender, ebenfalls etwas dunklerer Song, der an ältere Bandzeiten erinnert und verdammt gut ins Ohr geht. Nach „Assasine“ folgt ein Cut – es folgt die Ballade „Halt mich“, ein relativ unspektakuläres Stück, das sicherlich live von der Atmosphäre lebt. „Des Dichters Segen“, eine Hommage an die ersten Schandmaul-Alben mit luftig leichtem Text, verspielten Flöten und gut gelaunter Violine. Das Album beendet „Mein Lied“, eine intensive Halbballade, die zum Schwelgen einlädt.

Es ist schön zu sehen, dass Schandmaul die längere Pause genutzt haben, um sich ein wenig neu zu erfinden. Vor allem die punkigen Elemente bereichern den Bandsound – darüber hinaus hat man die Kunst der großen Arrangements wiederentdeckt. Der Sound auf „Traumtänzer“ ist breit gefächert, man fühlt sich wohl beim Hören. Man darf gespannt sein, auf die Live-Umsetzung, wenn Schandmaul bald auf Tour kommen. Das Album jedenfalls ist, von ein, zwei Durchhängern abgesehen, wirklich großartig geworden.

Wertung: 4/5
VÖ: 28.01.2011
Label: FAME Recordings / Sony Music

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Video: Schandmaul – Gea’s Traum