Baby Lou – Fresh Water In A Dirty Glass

Baby Lou

Lebt Punk Rock eigentlich noch? Und wenn ja, was ist das überhaupt, dieses klassische, längst in seine Einzelteile zerlegte Genre? Mit dem Sex-Appeal von Pistolen haben Baby Lou nichts zu tun, London scheint das Quartett aus Hamburg und Saarbrücken sowieso nicht zu rufen. Kein Wunder, mit Schnappatmung kommt man nicht so leicht zu recht. Wohl aber das junge Hamburger Label 141records, für die „Fresh Water In A Dirty Glass“ erst der zweite Release ist (nach „Sanguinity“ von Three Chord Society). Dafür aber ein guter, versteht sich.

Einfach ist die Platte freilich nicht zu verdauen, deswegen auch die ‚Schnappatmung‘ – durchaus eingängige, gefällige Melodien verstecken sich hinter sperrigen Outfits. Bestes Beispiel dafür ist der Titeltrack „Fresh Water In A Dirty Glass“, gleichzeitig auch die erste Single-Auskopplung. Forsch legt das Quartett los, getragen von forschen Drums, beinahe math-artigen Gitarren und, zu einem späteren Zeitpunkt, vereinzelten Shouts. Und doch erweist sich Marco Korz‘ Gesang als überaus charmant, gerade in den etwas ruhigeren Parts. In eine ähnliche Kerbe schlägt „Tennis“, das auch problemlos mit entspannter Instrumentierung funktioniert hätte. Genial sind gerade in diesem energischen Outfit abermals die Vocals zwischen Conor Oberst zu Desaparecidos-Zeiten und in manchen Momenten sogar Brian Molko von Placebo.

In Form von „The Airforce One Is Landing In My Bed“ hat sich sogar eine Art Power-Ballade aufs Album verirrt, die nur wenige Sekunden später von „Hoist The Sails“ regelrecht pulverisiert wird. Nicht etwa wegen dem überdrehten, knüppelharten Auftakt mit leichtem Hardcore-Einschlag, sondern wegen dem überlebensgroßen Stadion-Refrain, den selbst Biffy Clyro kaum besser hinkriegen würden. Hätte man auch auf Rock-Radio-Hit trimmen können, würde aber nicht zum Lou’schen Habitus passen. Entsprechend kauzig und breit aufgestellt geht es weiter: Rock’n’Roll („Where Are Those Lifeguards When You Need Them“), Lagerfeuer-Epos mit Britpop-Elementen („The Old Fire“) und klassische Europe-Keyboards nebst feisten Punk-Klängen („Smile For The Camera (Yes Sir)“).

Baby Lou rumpeln – erfolgreich – gegen jegliche Genre-Konventionen und schreiben dabei überaus verträgliche Songs, die mit Stahlkanten ausgelegt werden. Lässt man vielleicht das betont ruhige und versöhnliche „The Old Fire“ außen vor, so wird jedes eingängige Riff, jede griffige Melodie zwischen Doublebass-Gewitter, Hardcore-Querverweise und Math-Ausflüge gepackt, ohne jedoch auf die Punk Rock-Wurzeln zu vergessen. „Fresh Water In A Dirty Glass“ macht seinem Namen alle Ehre – dreckig sind Baby Lou allemal, jedoch auf eine überaus charmante und spannende Art und Weise. Wer den entsprechenden Übergang zwischen der Frühphase und der Gegenwart von Biffy Clyro vermisst, wird an dieser Platte große Freude haben.

VÖ: 21.10.2011
141records (New Music Distribution)

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