Epic Fail Vol. 7: Ardian Lombardi – This Is My L.A.

Es ist doch jedes Mal dasselbe Dilemma: So ein Epic Fail mag auf dem Papier eine gute Idee sein, garantiert Erheiterung und Fremdschäm-Kommentare der jeweiligen Fangruppen, garniert mit Gewaltverbrechen gegen die deutsche Sprache, die Konrad Dudens Grabstein vor Schamesröte anlaufen lassen (man denke sich gefühlte drölfzig Rufzeichen und die gelegentliche Eins an das Ende dieses Satzes). Im Laufe des Schreibprozesses muss man sich allerdings tatsächlich mit dem Interpreten und dem Song an sich auseinandersetzen, was in etwa so amüsant ist, als würde man sich die Arschbacken mit einer heißen Nadel zusammennähen lassen und hernach Abführmittel schlucken; oder wie man in Fachkreisen sagt: seine Seele an den Casting-Cerberus zu verkaufen.

Wie man hoffnungsvolle Talente – in Fachkreisen auch als ‚mediengeile Zombies‘ bekannt – besonders stillos im Akkord verheizt, wissen Dieter Bohlen und RTL wohl am besten. Der Pop(p)titan liefert semi-originelle T-Shirt-Sprüche und als ‚Siegersongs‘ bezeichnete Rip-offs aktueller Welthits, der Hartz-IV-Heimatsender die dramatische Inszenierung zwischen Zickenkrieg, Schicksalsschlägen und Televotingterror – Besetzung des Königreichssaal inklusive. Natürlich geht das Konzept auf, erreicht hohe Einschaltquoten, verkauft sich in den Musikcharts wie Marco Schreyls Seele und erstickt jeglichen Versuch einer Karriere bereits im Keim. Wie passend, dass der Sieger und der Drittplatzierte der (leider nur bislang) letzten Staffel, Pietro Lombardi und Ardian Bujupi respektive, neue Singles an den willenlosen Konsumenten bringen wollen. Passend für drölfzig Rufzeichen, brennende Arschbacken (no homo) und die Rückkehr des Cerberus.

Noch da? Das ellenlange, nichtssagende Vorgeplänkel einigermaßen überstanden? Jetzt noch ein paar Telefonnummern einblenden lassen und jede verdammte DSDS-Show wäre innerhalb von wenigen Zeilen abgehandelt. Zeit, ein paar Gänge nach oben zu schalten. Pietro Lombardi wurde nach bestem Wissen (höhö) und Gewissen (höhöhö) als liebenswerter Vollidiot des hampelnden Flohzirkus verkauft, überraschenderweise mit ‚recycelten‘ Ideen. Mal hüpft er nackt durch die DSDS-Villa in einer Szene, gesäumt von der obligatorischen Pseudo-Slapstick-Banana (was der Küblböck kann…), mal scheitert er an der deutschen Sprache, letzteres natürlich Zielgruppen orientiert. Apropos: Was ist der Unterschied zwischen Pietro Lombardi und einem Waldorfschüler? Ein Waldorfschüler kann seinen Namen zumindest tanzen.

Aber nein doch, wir wollen ja nicht zynisch werden – speziell wenn es um die Beziehung zur Zweitplatzierten Sarah Engels geht. Zwischen großer Liebe, Stress nach der Staffel und Schmalzduett für den gemeinsamen Charterfolg war alles dabei, was die Zweisamkeit der beiden Glee-Würmchen in etwa so authentisch macht wie jene von Michael Jackson und Lisa Marie Presley. Apropos Jacko: Menderes lebt immer noch. Get over it. Im Zweifelsfall kann Lombardi ja immer noch sinnfreie Begriffe wie „Jackpot!“ – sein persönliches „Winning“ (wenn das hier „Winning“ oder „Jackpot“ ist, kann es kein Buchstabierwettbewerb sein) – oder „Pietro-Style“ in die Kamera stammeln. „Pietro-Style“ ist übrigens, wenn die eigene englische Aussprache Westerwellen schlägt. Klingt verdächtig nach einer WG mit dem Dingsbums-Lukas und Frau Rieger.

Über Ardian Bujupi gibt es freilich nicht viel zu sagen – wie auch, der Mann hat die Ausstrahlung einer Topfplanze mit Plattenbau-Panorama. Wollen wir also den Pressetext zur ersten Single der fleischgewordenen Dackellähme heranziehen. „Seine Zeit ist gekommen!“, heißt es gleich zu Beginn, was jedoch nicht für ein abruptes Ende von Bujupis Musikkarriere steht (verdammter Wunschbrunnen…). Viel mehr folgt nun der Kickstart, er „fühlt sich […] bereit durchzustarten“. Besonderes Schmankerl: „Die brandneue Hitsingle erscheint […] als digitaler und physischer Tonträger.“ – ein wenig Recherche zeigt, dass digitale Tonträger CDs, DVDs, MiniDiscs und DATs einschließt. Wo liegt also der Unterschied zu einem physischen Tonträger? Gibt es etwa keine Download-Files? Und vor allem: Wer zum Henker kauft heutzutage noch DATs?

Während man also noch hektisch versucht, jegliche pseudo-musikalischen Mikroorganismen von den physischen Tonträgern (und den digitalen Tonträgern! Bloß nicht die digitalen Tonträger vergessen!) herunter zu pasteurisieren, quillt sie auch schon wie Erbsensuppe aus den Boxen, die auf Zielgruppe getrimmte Abscheulichkeit in Reinkultur. Bujupis „This Is My Time“ – klingt beinahe so, als ob er ein dringendes Geschäft zu verrichten hätte – ist hierbei noch das kleinere Übel, auch wenn quäkende „Eh Eh-Eh-Eh“-Vocal-Sample schnell nervt. Die Produktion wirkt stellenweise sogar modern, wirkt aber mindestens so egal wie sein Interpret. Bujupis Vocals krebsen im herrlich egalen Frequenzbereich einer brünftigen Elchkuh herum, die Intonation hat Topfpflanzen-Charakter. Vermutlich liegt der Fokus auch am dazugehörigen Video: Club-Szenen mit post-modernem Ausdruckstanz, ein kleines Zwischenspiel mit einer jungen Dame und die dazugehörige Zeile „can you hear me?“ – bei versuchter Paarung auf dem Dancefloor natürlich von entscheidender Bedeutung – und der stete Griff in den Schritt, wohl als Vorbereitung auf die bitchige Szene. Hat hier jemand einen Frauenarzt gerufen?

Tatsächlich schlägt Pietro Lombardi seinen Kollegen um Längen – kein Wunder, er hat schließlich Dieter Bohlen an Bord. Dass dieser, natürlich rein musikalisch, kürzlich erneut über Andrea Berg gestiegen ist, hört man in jeder Sekunde. Natürlich darf der wummernde Ballermann-Beat nicht fehlen, natürlich gibt es im Refrain klassische Schlager-Kadenzen zu hören. Vocals verstecken sich da auch noch im Titel mit dem ach so cleveren Apostroph. „Goin‘ To L.A.“ – das ist modern, das ist pfiffig, das ist vermutlich „Pietro-Style“. Apropos Lombardi: Die Lombardei liegt am Po. Passt zur Musik. Natürlich wird mit Autotune nachgeholfen, denn gesanglicher Dilettantismus ist mindestens genauso „Pietro-Style“ wie der sinnentleerte Text wie die hoffnungsvolle Faust aufs Bohlen-Auge passt. Schon mal ein Trinkspiel mit den Begriffen „Love“, „Baby“ und „Only One“ versucht? Ein Highlight heimischer Filmkunst ist das dazugehörige Video, gedreht in Texas. Lombardi versucht sich als Anhalter und wird dabei zwar nicht überfahren, darf aber auf die Ladefläche eines Pick-Ups aufspringen, die bei Anfahrt noch offen, wenige Momente später jedoch geschlossen ist – ein Job für Sarah Engels. Nun singt der DSDS-Todesser in einem fahrenden Wagen, vor einer Las Vegas-Tapete, in der Wüste und auf einem Berg, ohne jedoch zu springen. Dafür geht es zum großen Finale zur Beachparty mit ‚willigen‘ Mädels aus dem Hause Rent-a-Bitch – offensichtlich kein Job für Sarah Engels.

Die Hoffnung auf Staub fressende Casting-Bratzen (um es mit Fat Fighters-Charmebolzen Marjorie Dawes zu sagen: „Anybody? No? Dust. Anybody? No? Dust.“) bewahrheitet sich also nicht einmal in der Wüste. Bujupi und Lombardi dürfen zumindest bis zu den kommenden Chartplatzierungen weiter musizieren, Alben unter die Leute bringen. Ein kleines Zitat aus dem bereits erwähnten Pressetext zu „This Is My Time“: „Der Veröffentlichungstermin der brandneuen Single entstand nicht zufällig. Am 11. November 2011 veröffentlicht auch Musiker Pietro Lombardi seine neueste Single. Dies ist aber keineswegs als Kampfansage zu verstehen, sondern als eine weitere Gemeinsamkeit zweier Freunde, die sich ohne DSDS wohl niemals begegnet wären.“ – und auch besser nie begegnet wären. Definitiv kein weiterer Job für Sarah Engels. Ein kleiner Nachtrag zum Schluss: In einem Interview gibt Pietro Lombardi an, in „Goin‘ To L.A.“ ginge es darum, dass er unbedingt nach Las Vegas wolle. Das kann man einfach so stehen lassen. Jackpot, Alder!

„This Is My Time“ und „Goin‘ To L.A.“ sind seit dem 11. November als Maxi-CD erhältlich. Viel Glück.