Ólafur Arnalds – Living Room Songs

Ólafur Arnalds

In Island ticken die Uhren bekanntermaßen aus, was sich auch auf sämtliche Kunstformen niederschlägt, egal ob Malerei, Literatur oder die Musik. Auch Ólafur Arnalds passt ins Bild, weil er eben ganz anders ist und damit doch gewissermaßen symptomatisch für eine überaus breit gefächerte wie auch einzigartige Musikszene. Als ‚Darling der Modernen Klassik‘, wie ihn sein Label vollkommen zu Recht bezeichnet, mischt er klassische Musik mit experimentellen Electro-Klängen und einer Prise Indie Pop. Auch in punkto Songwriting und ‚Studioarbeit‘ wählt Arnalds immer wieder unkonventionelle Wege, wie bereits der Titel seiner neuen EP „Living Room Songs“ andeutet.

Ab dem 3. Oktober 2011 schrieb Ólafur Arnalds täglich einen Song und nahm diesen noch am selben Abend in seinem Wohnzimmer auf, was live gefilmt wurde und den Fans als freier MP3-Download und Videostream auf einer eigenen Projektseite angeboten wurde. Die sieben instrumentalen Songs gibt es nun auch in hoher Qualität auf CD, was diesen trotz vermeintlichem Stress unheimlich zu Gute kommt. Natürlich dominiert Arnalds‘ Klavier, natürlich geht es um leise Töne, die – beispielsweise im Opener „Fyrsta“ – durch ein trauriges Cello ergänzt werden. „Near Light“ wirkt dagegen beinahe hoffnungsvoll, unterstützt von einem relativ simplen Drumloop.

Jeder Song ist für sich ein kleines Meisterwerk, die Spontanität manifestiert sich ausschließlich im Positiven, denn die Kompositionen des Isländers leben, atmen, jubilieren und trauern. Hervorzuheben ist das abschließende „This Place Is A Shelter“, in dem Arnalds zunächst alleine auf weiter Flur zu sein scheint, bis nach und nach die Streicher einsetzen, für eine gewisse Dramatik sorgen, behutsam und doch energisch hinter den Schutzwall tragen. Am Ende des dazugehörigen Videos applaudieren die anwesenden Zuhörer. Im Wohnzimmer ist es mittlerweile eng geworden, man will diese besonderen Momente nicht missen; wie auch die EP an sich, denn „Living Room Songs“ ist magisch, bezaubernd und vermag durchaus, den Klassik-Crossover hin zu alternativ-poppigen Klängen zu perfektionieren. David Garrett kann ja jeder abfeiern, Ólafur Arnalds Kammermusik hingegen darf man (noch) in aller Stille genießen – im Frühjahr 2012 auf Deutschland-Tour.

4/5
VÖ: 02.12.2011
Erased Tapes (Indigo)

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