Esperanza Spalding – Radio Music Society

Esperanza Spalding

Es war der große Aufreger der Grammy-Verleihung 2011: Nicht etwa die favorisierten Drake oder Justin Bieber, sondern die dem Mainstream weitestgehend unbekannte Jazz-Sängerin und -Bassistin Esperanza Spalding wurde als beste Newcomerin ausgezeichnet – nicht ernstzunehmende Morddrohungen von pubertierenden Beliebers inklusive. Entsprechend gespannt durfte man im Vorfeld der Veröffentlichung ihres vierten Soloalbums „Radio Music Society“ sein, mit dem sie versucht, zeitgenössischen Jazz der Radiowelt ein wenig näher zu bringen.

Ursprünglich war diese Platte gemeinsam mit dem klassisch orientierten „Chamber Music Society“ – jenes Werk, für das Spalding mit einem Grammy ausgezeichnet wurde – als Doppelalbum geplant und soll dabei die etwas radiofreundlichere, beinahe schon mainstreamigere Seite ihrer Musik widerspiegeln. Tatsächlich setzt es eingängige Momente im Contemporary Jazz-Universum, geprägt von RnB- und Soul-Einflüssen. „Radio Song“ wirkt als Opener angenehm beseelt und leidenschaftlich, baut klassische Jazz-Skalen ein und lässt Spaldings Bass in prominenter Rolle auftreten. Aber auch die glockenhelle, angenehm gläserne Stimme der 27jährigen aus Portland, Oregon trägt ihr Übriges zum ganz besonderen, sympathisch verspielten Feeling dieses Songs bei, der zwischenzeitlich sogar ein kleines Piano-Solo zu bieten hat.

Die Video-Auskopplung „Black Gold“ punktet mit deutlich sanfterem, souligeren Auftreten und Algebra Blessetts Vocals, während im Mittelteil Esperanza Spalding selbst ihren Bass in den Mittelpunkt rückt für einen kurzen Solo-Abschnitt. „Cinnamon Tree“ hingegen beweist, warum die US-Amerikanerin auch im Vorprogramm von Prince funktionieren kann mit seinem leicht versetzten Beat und dem prominenten Einsatz von E-Gitarren. Auch haben sich zwei Cover-Versionen auf „Radio Music Society“ verirrt. Während „I Can’t Help It“ von Stevie Wonder sogar eine Prise Funk einbringt, bevor der Trompete gehuldigt wird, wirkt „Endangered Species“ von Wayne Shorter wie eine fantastische Tour de Force, die vor allem zum Showcase für Pianist Leo Genovese wird. Seine kleinen Soli, stellenweise mit Keyboard-Unterstützung dargeboten, nehmen proggige Züge an.

Auch wenn der Titel „Radio Music Society“ radiofreundliche Musik nahe legt, hat es Esperanza Spalding nicht nötig, sich zu verbiegen. Klar wirken die Songs ein wenig eingängiger als jene auf ihrer Kammermusik-Platte, was jedoch kein Kunststück ist. Contemporary Jazz steht weiterhin im Vordergrund, wie man in jeder Note hören kann. So steht der Bass nun mal im Vordergrund, muss immer wieder Zeit für kleine Soli sein oder werden Genre-Standards eingeflochten für maximalen Unterhaltungswert. „Radio Music Society“ bleibt anspruchsvoll, aufregend und eignet sich gleichzeitig als Einstiegswerk für RnB- und Soul-Hörer in die wunderbare Welt des Jazz. Robert Glasper und Khari Cabral Simmons lassen grüßen.

VÖ: 16.03.2012
Concord Music Group (Universal Music)

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