Deftones – Koi No Yokan

Deftones

Zweieinhalb Jahre nach „Diamond Eyes“ stellen die Deftones bereits einen Nachfolger vor – was, wenn man die Gemütlichkeit der Kalifornier kennt, beinahe utopisch anmutet, ist nun Realität geworden. Für das siebte Studioalbum sperrte sich das Alternative-Metal-Quintett abermals mit Nick Raskulinecz im Studio ein, spielte einfach darauf los und hielt sich sogar an die magische Abgabe-Deadline. Diese einzige auferlegte Regel schadete dem kreativen Fluss keineswegs, ganz im Gegenteil: „Koi No Yokan“ (dt. „Vorahnung / Erwartung der Liebe“) weckt Erinnerungen an das Meisterwerk „White Pony“.

Fehlendes Selbstbewusstsein kennen die US-Amerikaner jedenfalls nicht, wenn man sich den wuchtigen Auftakt „Swerve City“ vor Augen führt. Stephen Carpenters Faible für sieben- und achtsaitige Gitarren sowie Meshuggah-Sound wird in den harten, dissonanten Passagen deutlich, dazu zeigt sich Chino Moreno gesanglich gewohnt stark, pendelt geschickt zwischen ruhigen, nachdenklichen Strophen und wütenden Distortion-Ausflügen. „Romantic Dreams“ baut auf diesen aggressiven Ansätzen auf und arbeitet einen hymnischen Refrain ein, in ganz seltenen Momenten von hoffnungsvollen Gitarren unterstützt. Diese Momente der Idylle dauern jeweils nur wenige Sekunden an, machen allerdings gemeinsam mit Frank Delgados Samples den Track ‚vollständig‘, wenn man so will. Es ist diese Liebe zum Detail, dieser musikalische Tiefgang, der die Deftones auszeichnet.

Es geht natürlich auch anders, härter, brachialer. „Leathers“ nimmt das Tempo des Openers mit, wirft – natürlich!, will man beinahe sagen – einen weiteren großen Refrain ein und wirkt doch scharfkantig, betont bösartig. Eines der Highlights dieser Platte ist jedoch „Tempest“, eine sechs Minuten lange Wunderwaffe an Dynamik und vertonter Brillanz zwischen Tool-Melodik, klaustrophoben Vocals und einer unverhältnismäßig zerstörerischen Rhythmusabteilung. Dezente Erinnerungen an „Change (In The House Of Flies)“ werden wach. Von hier aus ist es kein weiter Sprung zu „Rosemary“, einer siebenminütigen Feldübung in Ambient und Schwerelosigkeit. Gerade die süßlichen Gitarren, gepaart mit Shoegaze-Moreno, klingen wie von einem anderen Stern.

Zwischen endlos wirkender Entspannung (bei „What Happened To You?“ wird den guten alten Incubus Angst und Bang) und zügellosen Wutproben („Gauze“ knüpft nahtlos an den fiesen Opener an) bleibt kein Platz für Schönheitsfehler. „Koi No Yokan“ ist, kaum wahrnehmbarer Mini-Durchhänger gen Halbzeit zum Trotz, dem Überalbum verdammt nahe und erinnert an die majestätische Gewalt der ersten drei Deftones-Platten. Ohne Frage ist den Kaliforniern hier ein weiterer Klassiker geworden, eine schweißtreibende und doch zu Tränen rührende Tour de Force. Das Wichtigste jedoch zum Schluss: Chi Chengs Gesundheitszustand bessert sich, wenn auch nur sehr, sehr langsam. Via One Love For Chi kann man sich informieren und weiterhin spenden.

Deftones - Koi No Yokan

Koi No Yokan
VÖ: 09.11.2012
Reprise Records (Warner Music)

Deftones @ Home | @ Facebook
„Koi No Yokan“ @ Amazon kaufen