Epic Fail Vol. 9: Melouria – Miracle

Melouria

Man möchte es angesichts der geringen Anzahl an Beiträgen ja nicht meinen, doch im Prinzip ist das ganze Jahr über Epic Fail-Zeit. Ständig flattern neue Themen rein, ständig verweist man auf das Jahresende. Man braucht ja auch was für den großen Rückblick, denkt man sich. Viel schöner ist es aber, wenn die goldene Kackwurst gleich doppelt zuschlägt. Das Format schimpft sich „Popstars“, die Delinquenten nennen sich – warum, erfahren wir gleich – Melouria. „How Do You Do! 2012“ war eine jener Bauchlandungen, die einen fixen Platz im „Worst of“ verdient hat, keine Frage. Dass die Musik gewordene Retorten-Titanic jedoch einen zweiten Anlauf in vergleichbarer Geschmacklosigkeit wagt, nun ja, da wird der Papa dann zum Biest.

„Sie haben es geschafft: Steffi, Alex, Cem und Alessio sind die diesjährigen Gewinner der Popstars-Staffel. Doch auch ein Popstarleben ist nicht einfach und so spürt die Band aktuell starken Druck: Ihnen bleiben noch genau zwei Monate um ihre Karriere zu retten. Werden sie es schaffen? Oder ist danach der Traum vom großen Musikerleben bereits vorbei?“ – wenn schon der Pressetext nach Weltuntergang klingt (man beachte den Sprung von „Sie haben es geschafft“ bis „Ihnen bleiben noch genau zwei Monate…“), kann man Melouria eigentlich auch gleich abschreiben. Der Name hat übrigens nichts mit einem Melanom zu tun und ist auch nicht mit Geschlechtswarzen in Verbindung zu bringen. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus den Begriffen „Melodie“ und „Euphoria“, dem aktuellen ESC-Ost-West-Kompromiss, und ist deswegen so toll, weil der Song das Quartett auf Ibiza begleitete. Die Kreativschmiede von Room 08/15, LaMief und Blu (Pa-Ga-Dee) stellte mit Mixtype und Softrebel weitere fantastische Namen zur Auswahl. Dass die Rotte um gescheiterte Staffelteilnehmer / Existenzen das nicht minder grandiose Unized als Überschrift für gemeinsame Karussellfahrten gewählt hat, spricht für das Format-typische Brainwashing, das offensichtlich auch ohne Brain funktioniert.

Das mit dem Brain erklärt sich wohl durch die Juroren. Für die zehnte Staffel des „Erfolgsformats“ Popstars holte sich D! – ein Mann, der das deutsche Autokennzeichen wie kein Zweiter liebt – drei ehemalige Krokodilstränen in seine Jury, die als Sieger tatsächlich Kohle gemacht haben. Eine klare Ansage an die neue Generation: ihr seid zu jung, der Zug ist abgefahren, wir müssen Sendezeit füllen. Die Quoten sprechen für sich, die Staffel wurde frühzeitig beendet. Wer hinter kabel eins, Vox und RTL II landet, muss sich über einen medialen Coitus interruptus nicht wundern. Dabei waren doch so tolle Leute (und D!) am Start: Ex-Engel Lucy Diakovska, die bei ihrem Live-Auftritt zeigte, dass sie immerhin noch singen kann, Bro’Bro Ross Anthony, der sich leider immer noch nicht ins Privatleben zurückgezogen hat, und die Efeu umrankte Monrose-Stehlampe Senna, die mittlerweile auch einen Nachnamen hat (leider schon wieder vergessen) und immer noch an ihrem ersten Soloalbum arbeitet. Es spricht nichts gegen „Chinese Democracy“-Dimensionen, die dazugehörige Rasta-Rose-Boba-Fett-Optik muss jedoch nicht sein. Ross ist zumindest auf dem richtigen Weg. Welcher Saft tatsächlich mit ihm ist, ist jedoch nicht bekannt.

Zu jung für die versiegte Geldquelle, zu schief für „The Voice of Germany“ – die Kandidaten waren bereits beim Betreten der Casting-Resterampe gescheitert, dürfen sich aber nun als Gewinner in einem Wettbewerb, der seit Jahren nur noch Verlierer kennt, feiern lassen: Steffi, Alessio, Alex und Cem. Die Kollegen von Woodz waren so nett, die vier verbliebenen Reiter der A-Pop-Kalypse über ihre bisherige Berufserfahrung auszufragen. Auch wenn Alex seine Feststellung, er könne jeder Zeit wieder in der Praxis seines Vaters als Physiotherapeut einsteigen, mit einem Smiley hinterlegt – es braucht keine Kristallkugel, um ein halbes Jahr in die Zukunft zu blicken. Viel interessanter sind jedoch die Antworten darauf, was für drei Mitglieder und die Dame ohne selbiges der bislang schlimmste Job war. Cem musste ein halbes Jahr in einem Kindergarten arbeiten und hatte mit den Kindern Schwierigkeiten. Nicht etwa, weil man sich auf ein und derselben Respektsebene fand, nein: „Ich bin dafür noch viel zu jung“. Korrekt, Cem, gut beobachtet! Außerdem tropft keine Milch aus deinen Zitzen (gemeint sind hier wohl gemerkt die Brustwarzen, meine Herrschaften), du schwingst keinen Kochlöffel und weißt nicht, wie man „Wäxl“ (hoppala…) buchstabiert. Ähnlich weltmännisch gibt sich Alex, der einst in einer Versicherungsfirma arbeitete und dazu meinte: „nur Papierkram und Leute reinholen – total eklig“. Gerüchten zufolge ist dem Papier beim Lesen dieser Zeilen der Geduldsfaden gerissen.

Total crazy muss der Videodreh zu „Miracle“, so der logische Titel der zweiten Single (schließlich braucht man ein Wunder, um nach dem einwöchigen Chart-Aufenthalt der Roxette-Vergewaltigung noch etwas verkaufen zu können) gewesen sein, wie die Band in einer eigenen Presseaussendung bekannt gibt: „Alex musste beim Videodreh eine Rückwärtsrolle machen und hat dabei nicht gemerkt, dass man seine Poritze gesehen hat und daraufhin unser Kameramann nur: ‚Ich wollte schon einen Euro reinschmeißen und schauen, was da raus kommt‘. Es war total lustig!“. Was jedoch nicht verraten wurde: Als der Kameramann versuchte, stattdessen seine Kreditkarte durchzuziehen, wurde diese geschluckt. Scheine hätte Alex wohl gleich wieder ausgespuckt, schließlich findet er Papier eklig. Mehr kann und will man zum Video auch nicht sagen, denn außer sterilen Räumen, Effekten für Rot-Grün-Blinde und dem isolierten Verharren an wehrlosen Wänden gibt es nichts zu sehen.

Immerhin sind Melouria konsequent, denn wenn es musikalisch schon nichts zu hören gibt, soll es auch nichts zu sehen geben. Dabei schmückt sich die Zweckgemeinschaft der Registrierkassen-Innung mit dem Namen Jenson Vaughan, der nicht nur diesen Track geschrieben hat, sondern auch den Madonna-Albtraum „Girl Gone Wild“. Vielleicht hat man sich von diesem verfänglichen Titel inspirieren lassen, denn die Zeile „I never was the one to believe in happy endings / til you came around me“ lässt auf besonders feuchtfröhliche Schlafzimmer-Aktivitäten schließen, die mit dem Bravo-Blümchensex der Dschungel-Schmachtbratzen nichts zu tun hat. Dass man sich in den Schlafzimmern der Band-WG jedoch für wenig koschere Spiele in Gebrüder-Grimm-Verkleidungen trifft („I never was one to believe in fairy tales / until you came true“ – wie ‚wahr‘ kann man eigentlich kommen?), ist bloß ein Gerücht.

„Ihnen bleiben noch genau zwei Monate um ihre Karriere zu retten. Werden sie es schaffen? Oder ist danach der Traum vom großen Musikerleben bereits vorbei?“ – macht kalter Kaffee schön? Aus eigener Erfahrung: hell no. Die Plattenfirma hat „Miracle“ als Download-Single ohne eine einzige B-Seite abgeworfen. Hoffnung wird offensichtlich überbewertet, ein potentielles Album ist unrealistisch. Immerhin ist „Miracle“ besser als „How Do You Do! 2012“, was in etwa so ist, als würde man sagen, der erste „Bourne“-Streifen sei sinniger als seine Nachfolger. Man muss kein Pop-Nostradamus sein, um hier das Ende vom Ende von Melouria zu sehen. Verlust ist es keiner, doch tatsächlich tragen die Hintermänner die eigentliche Schuld an diesem musikalischen Kapitalverbrechen. Die TV-Polizei hat „Popstars“ mit den erwähnt grottigen Quoten abgestraft. Man kann nur hoffen, dass der Sender davon lernt. In Österreich sucht man eh wieder jemanden, der mit einem Karaoke-Bat(shit)mobil durch abgelegene Kuhdörfer fährt und aus Mistgabeln Stimmgabeln formt.

„Miracle“ ist ab dem 30. November als Download-Single erhältlich. Viel Glück.