Interview mit Nelly Furtado

Nelly Furtado

Sie ist mittlerweile fast 14 Jahre im Geschäft, hat mehr als 40 Millionen Platten verkauft und in dieser Zeit sowohl musikalisch als auch charttechnisch schon so gut wie alles erlebt. Die Rede ist von der kanadischen Grammy-Preisträgerin Nelly Furtado, die sich aktuell mit ihrem fünften Album „The Spirit Indestructible“ auf großer Europatour befindet. beatblogger.de traf sie in Köln zum Interview und erfuhr, woher ihre Leidenschaft zur Musik kommt, in welcher Sprache sich die multilinguale Sängerin am Wohlsten fühlt und was sie an den Deutschen besonders mag.

Im Rahmen deiner "Spirit Indestructible Tour" kommst du für einige Konzerte nach einer langen Zeit wieder nach Deutschland. Was magst du an den Deutschen und ihrer Kultur am meisten?

Als allererstes schmeckt mir das Essen hier besonders gut, sämtliche Kartoffelgerichte finde ich zum Beispiel unheimlich lecker. Aber es sind vor allem auch die Leute, die mich faszinieren. Sie sind wirklich sehr nett, hilfsbereit, gut organisiert und leisten wahnsinnig viel. Deutschland ist ja bekannt als das Land der Denker; diese Tatsache gefällt mir sehr, da ich es mag über gewisse Dinge auch mal intensiver nachzudenken und dies in meiner Musik zum Ausdruck zu bringen. Da spüre ich schon eine Verbindung zwischen mir und den Deutschen.

"The Spirit Indestructible" wird als dein bisher persönlichstes Album bezeichnet, da es viele Einflüsse deiner vorherigen CDs enthält. Kannst du die musikalische Struktur und den Arbeitsprozess bis zum fertigen Ergebnis ein wenig beschreiben?

Es war in der Tat ein interessanter Entstehungsprozess, da ich gerade mit meinem spanischsprachigen Album „Mi Plan“ unterwegs war, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Als es dann an die Arbeit für den englischsprachigen Nachfolger ging, fühlte es sich für mich an, als würde ich zum Schwimmen in einen Pool steigen: zuerst bewegt man sich an der Wasseroberfläche, doch nach und nach taucht man immer mehr ein. Anfangs habe ich mit engen Freunden wie den großartigen Produzenten Rodney Jerkins und Salaam Remi, denen ich voll und ganz vertraue, zusammengesessen und erst langsam in Toronto und Miami mit den ersten Aufnahmen begonnen. Doch schon bald kam Bewegung in die Sache, wir stellten mehr und mehr potenzielle Songs für das Album zusammen und fühlten uns auf einer Art musikalischem Highway. Es war eine unglaublich kreative und emotionale Atmosphäre, wir fühlten uns wie herumtollende Kinder, die eine große Party feiern. Dieses Gefühl, das Musik dir geben kann, eben eine Menge Adrenalin, wollte ich dem Album unbedingt verleihen. Es sollte eben nicht auf Biegen und Brechen perfekt, sondern authentisch und lebensecht sein.

Besonders in Europa bist du seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Wie sehr schaust du nach dieser langen Zeit auf die nackten Fakten, also bestimmte Chartpositionen oder Verkaufszahlen?

Ich finde den Verlauf meiner Karriere sehr interessant. In meinen mittlerweile fast 14 Jahren auf der Bühne habe ich eigentlich von allem schon ein bisschen erlebt, sei es der weltweite Nr. 1-Hit oder ein von Kritikern gelobtes Album. Anfangs war ich eine blutjunge Newcomerin, die sich im Musikzirkus erst noch zurechtfinden musste, dann war ich plötzlich ein Topseller-Act und manchmal auch die nette Latin Pop-Sängerin von nebenan. Mit all diesen Rollen war ich immer glücklich, sodass es für mich in erster Linie nicht so wichtig war, ob ich nun eine oder zwei Millionen CDs verkaufe. Kommerziell macht es natürlich einen Unterschied, aber von der künstlerischen Seite her verändert es dich nicht so sehr. Denn selbst wenn du mal ein Album hast, das auf die Eins geht, bist du als Künstler trotzdem unsicher und fragst dich, ob und wann dir das nochmal gelingen wird. Diesbezüglich wird man als Musiker wahrscheinlich nie zufrieden sein, weil man eben nicht in die Zukunft schauen kann.

Heißt also, der Erfolg spielt schon eine bedeutende Rolle, aber du machst dir selbst keinen allzu großen Druck.

Ich würde sagen, es geht mehr ums Überleben in dieser riesigen Branche und darum, sowohl körperlich als auch seelisch gesund zu bleiben. Was die Musik angeht, so muss man sich immer erst selbst zufriedenstellen. Da bin ich schon ein wenig egoistisch, denn Musik ist quasi meine Therapie; ich verarbeite darin sehr persönliche Erlebnisse und benutze sie sozusagen als mein Sprachrohr. Als ich die ersten Proben mit „The Spirit Indestructible“ hatte, war ich noch eine Woche später sehr emotional, da ich die neuen Songs das erste Mal live gespielt hatte. Sie bedeuten mir wirklich sehr viel, denn sie handeln von meinem Leben und sind nichts anderes als mein persönliches Tagebuch. Wenn du sie dann immer und immer wieder singst, durchlebst du all diese Momente jedes Mal neu. Für eine sensible Person ist es nicht immer einfach, damit klarzukommen, aber auf Tour geben dir die Fans so viel von ihrer Energie zurück, weil du sie gezielt ansprichst und nicht einfach nur gegen eine Wand singst.

Das Leben im Tourbus und der Reisestress müssen ziemlich an die Substanz gehen. Wie hältst du Körper, Geist, Seele und vor allem deine Stimme während dieser Zeit fit?

Ganz wichtig ist es, den Körper in einer gesunden Balance zu halten. Ich bin jetzt nicht der Typ, der den ganzen Tag meditiert, sondern versuche während der Tour viel zu schlafen, eine Menge Wasser und vor allen Dingen keinen Alkohol zu trinken oder zu rauchen. Ich schone meine Stimme, wann immer es geht, und fokussiere mich ganz auf mich selbst und auf die anstehende Show. Wenn ich die Zeit habe, besuche ich auch gerne die jeweilige Stadt, in der ich gerade bin, und spreche mit den Leuten, um die kulturelle Atmosphäre vollständig aufzusaugen und mich während der Performance meinen Fans einfach näher zu fühlen. Daneben habe ich immer ein Springseil mit an Bord, um meinen Körper fit und beweglich zu halten.

Du bist die Tochter portugiesischer Einwanderer und sprichst daher nicht nur fließend Englisch, sondern auch ein bisschen Portugiesisch. Welche dieser Sprachen bevorzugst du, wenn es ums Singen und Aufnehmen geht, und womit kannst du deine Gefühle und Emotionen besser zum Ausdruck bringen?

Wenn ich die Wahl habe, kann ich meine Gefühle beim Singen wohl besser zuerst auf Portugiesisch, dann auf Spanisch und zuletzt auf Englisch ausdrücken. Vielleicht haben meine Fans da aber auch eine andere Meinung, das müsste ich sie selbst fragen. Da ich mit Englisch als Muttersprache aufgewachsen bin und sie wie keine andere tagtäglich spreche, mag ich es natürlich schon sehr, sie auch in meiner Musik zu verwenden. Andererseits fühle ich bei portugiesischen Songs noch ein wenig tiefer und emotionaler, schließlich stammen meine Vorfahren aus diesem Land. Spanisch als zweite lateinamerikanische Sprache kommt dem ebenfalls sehr nahe, da gibt es durchaus einige Verknüpfungen. Daher würde ich gerne in Zukunft mehr damit experimentieren, denn ich bin wirklich neugierig, welche Wege ich musikalisch in dieser Richtung noch gehen kann.

Musik hat dich schon sehr früh in deinem Leben interessiert, du beherrscht mittlerweile zum Beispiel mehrere Instrumente wie Gitarre, Posaune und sogar Ukulele. Woher kam diese Affinität und wann hast du den konkreten Plan gefasst, die Musik professionell für eine Karriere zu nutzen?

Mein Großvater war Komponist und Instrumentalist in São Miguel auf den Azoren. Er und sein Bruder waren sehr talentiert, für sie bedeutete Musik wirklich ihr ganzes Leben. Daher liegt sie auch mir von Haus aus förmlich im Blut. Als ich acht Jahre alt war, lernte ich mit der Ukulele mein erstes Instrument zu spielen, damit hatte ich dann auch meine ersten Auftritte. Später kamen dann noch Posaune und Gitarre hinzu, die ich mit der Zeit immer mehr in meine Musik eingearbeitet habe. Manchmal benutze ich meine Stimme auch schlagend und erschütternd wie ein Horn-Instrument, beispielsweise bei den „Badababa Ching Ching Ching“-Shouts im Song „Baby Girl“. Nebenbei habe ich auch lange Zeit in einer Blaskapelle gespielt und dadurch meine Spielweise weiter verfeinert. Die Gitarre schätze ich ebenfalls, da ich mich so auf der Bühne meiner Band noch näher und zugehöriger fühle.

Ab 2000 hast du die Welt mit deinen vielbeachteten Alben "Whoa, Nelly!" und "Folklore" fasziniert, bevor im Jahr 2003 deine Tochter zur Welt kam. Wie bist du mit dieser neuen Situation, eine 24-Stunden-Mutter zu sein und gleichzeitig am dritten Album zu arbeiten, umgegangen?

Es war auf jeden Fall eine verrückte, aber auch super lustige Zeit. Ich kann mich wirklich nicht beschweren: Zu der Zeit, als ich mit den Aufnahmen von „Loose“ beschäftigt war, habe ich in Miami gelebt. Tagsüber habe ich mit meiner Tochter viele Stunden am Strand verbracht, abends stand ich im Studio und sang die neuen Songs ein; insgesamt also durchaus angenehme Monate. Die Möglichkeit zu haben, sie zudem überall hin mit auf Reisen nehmen zu können, finde ich wirklich schön. Das Ganze mutete fast ein wenig wie ein typisches Zigeneuerleben an, vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb ich es in den letzten Jahren ein wenig langsamer habe angehen lassen. Ich habe erstmals so etwas wie häuslichen Alltag erlebt und jede Minute davon genossen. Das hat mich natürlich einiges an Zeit gekostet, denn ich versuche stets, alle schönen Momente im Leben auszukosten und die Welt um mich herum auch einfach mal auszuschalten. Ob es jetzt meine Rolle als Hausfrau und Mutter, Sängerin oder Ehefrau ist, ich nehme jede Situation an und sehe immer die positiven Dinge darin.

Für dein drittes und erfolgreichstes Album "Loose" hast du dein Image und deinen Musikstil drastisch verändert und eng mit Timbaland zusammengearbeitet, was weltweite Nr. 1-Hits zur Folge hatte. Was glaubst du waren Gründe, weshalb Songs wie "Maneater", "All Good Things (Come To An End)" oder "Say It Right" so einen großen Einfluss auf deine Karriere genommen haben?

Das wüsste ich selbst gern, ich glaube es war einfach irgendwie magisch. Manchmal kann man solche Situationen gar nicht auf natürlichem Wege erklären. Als Timbaland und ich uns damals im Studio getroffen haben, war das gleich etwas Besonderes, denn wir waren fast in exakt der gleichen Situation. Unsere Herzen und Seelen haben von Anfang an unheimlich gut miteinander harmoniert, es war schon verdammt gutes Timing. Ich denke wahnsinnig gern an diese Zeit zurück, denn wir hatten so viel Spaß mit der Musik, die wir gemacht haben und augenscheinlich hat sie unseren Fans ja auch ganz gut gefallen. Aber irgendwann geht es natürlich weiter, man geht getrennte Wege und macht dann wieder sein eigenes Ding. Man kann die Zeit logischerweise nicht zurückdrehen, aber wer weiß was in der Zukunft auf uns wartet. Vielleicht arbeiten wir ja eines Tages noch einmal zusammen; wie sich der Sound dann anhören wird, kann ich allerdings logischerweise noch nicht sagen.

Worauf können sich die Fans in der Zukunft von dir freuen? Gibt es konkrete Pläne für ein neues spanisch- oder portugiesisch-sprachiges Album?

Es gibt in der Tat viele Fans, die sich einen Nachfolger von „Mi Plan“ wünschen. Aufgrund der vielen guten Kritiken denke ich wirklich gezielt darüber nach, bald wieder mehr spanische und auch einige portugiesische Songs aufzunehmen. Ich habe seit einiger Zeit auch begonnen, vermehrt mit Künstlern aus diesen Ländern zusammenzuarbeiten. Beispielsweise habe ich mit dem puerto-ricanischen Sänger Tommy Torres den Song „Sin Ti“ veröffentlicht, mit Andrea Bocelli die Ballade „Corcovado“ neu eingespielt und „Bésame Mucho“ von Lucho Gatica gecovert. Ich arbeite also wirklich in diese Richtung weiter, bin aber natürlich auch noch mit „The Spirit Indestructible“ auf Konzert- und Promotour. Bis es soweit ist, wird aber nicht mehr so eine lange Zeit ins Land gehen, versprochen!

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