Adolar – Die Kälte der neuen Biederkeit

Adolar

Neue Ordnung, neue Popularität: Chaotisch, betont unsortiert begannen Adolar 2010 mit „Schwörende Seen, ihr Schicksalsjahre!“ ihre Karriere, ließen ihre Punk-Visionen auf pöbelnden Noise Rock und sonstigen Wahnsinn treffen. Ein Jahr später waren auf „Zu den Takten des Programms“ Indie Rock-Strukturen erkennbar in einem durchaus beachtlichen Schritt, der auf dem dritten Album nun konkretisiert wurde. Für Sachsen-Anhalt geht das Quartett Ende September gar beim Bundesvision Song Contest für Sachsen-Anhalt ins Rennen. Passend dazu erreichen Adolar mit „Die Kälte der neuen Biederkeit“ einen neuen kreativen Höhepunkt.

Pizza essen und Captain Planet hören – das Leben könnte so schön sein, würde Chef-Melancholiker Tom Mischok bloß einen Freund finden. „Rauchen“ eröffnet das Album in der Echokammer und hebt erst nach etwa drei Minuten halbwegs ab, spielt mit Wave-Klängen und Post Punk, bevor das Finale von schweren Gitarrenwänden regelrecht zerschossen wird – ein Zugeständnis an die Anfänge Adolars. In „Halleluja“, offensichtlicher Hit der Platte und zugleich BuViSoCo-Beitrag, verbindet das Quartett die Dringlichkeit von Madsen mit dezent kaputtem Charme und einem großen Mitsing-Refrain. Die wirr hoppelnde Bridge toppt diesen düster-hymnischen Rock-Moment allerdings locker, ebenso die unvermittelt auftretenden Blechbläser.

Große Songs findet man an allen Ecken und Enden. Der Quasi-Titeltrack „Neue Biederkeit“ setzt sich mit Verklemmung, dem Fernsehen und fehlender Freundlichkeit auseinander, befeuert durch Moll-Töne und einen zart wabernden Bass. „Inspektor Brötchen“ gibt sich gerade gegen Ende vollends dem Punk hin, hat jedoch trotz des Helge Schneider’schen Titels nichts mit Nonsens gemein. Mindestens genau so spannend: mit Wave infizierte Tracks wie die verhinderte Hymne „Salmiak“ und das selbstzerstörerische „Diesig“. Zwischendurch wirf Mischok schon mal mit „Blumen“ um sich oder entdeckt in „Kanüle“ Interpol für sich, dramatische Gestik inklusive.

Ausgestattet mit kleinen und großen Gesten, stürzen sich Adolar auf ihr drittes und bislang bestes Album. Das unorthodoxe Auftreten des Debüts scheint in manchen Momenten immer noch durch, der auf „Zu den Takten des Programms“ eingeschlagene Kurs der Linearisierung wird fortgesetzt, gleichzeitig durch kleine Punk-Ausflüge und plötzliche Streicher-Auftritte ad absurdum geführt. „Die Kälte der neuen Biederkeit“ ist gleichermaßen Protest und Befreiung, eine Punktlandung auf einer neuen Ebene mit einer Platte, die mit zum Besten gehört, was deutschprachige Rockmusik aktuell zu bieten hat.

Adolar - Die Kälte der neuen Biederkeit

Die Kälte der neuen Biederkeit
VÖ: 06.09.2013
Zeitstrafe (Indigo)

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