Emigrate – Silent So Long

Emigrate

Sieben Jahre nach dem Debütalbum seines Nebenprojektes kehrt Richard Kruspe mit Emigrate zurück und nützt damit eine ausgedehnte Rammstein-Pause (aktuell wird an mehreren Live-DVDs gearbeitet, ein Studioalbum soll nicht in Planung sein). Für den Zweitling „Silent So Long“ begrüßt er Mikko Sirén von Apocalyptica am Schlagzeug sowie eine Reihe prominenter Gäste. Musikalisch hat sich allerdings wenig getan, Kruspe widmet sich nach wie vor Industrial Metal, der nur selten an seine Hauptband erinnert.

Tatsächlich treten in mehr als der Hälfte der Songs Gästen auf, wobei der Beitrag von Frank Dellé doch ein wenig verwundert. Mit einer der drei Seeed-Stimmen war nicht unbedingt zu rechnen, schon gar nicht in der Vorab-Single „Eat You Alive“. Der relativ handzahme Album-Opener präsentiert sich mit generischen Riffs und Kruspes deutlich selbstbewussterem Gesang. Dellés Beitrag ist zumindest interessant, macht das Kraut aber auch nicht fett; ein durchwachsener Aufttakt. Zur weiteren Abschreckung gibt es direkt im Anschluss einen obskuren Electro-Rock-Jam mit Peaches. „Get Down“ ist sexy, verstörend und erinnert nicht nur in seinen Harmonien an die Nine Inch Nails – ein kurioser Track, der mit jedem Durchlauf wächst.

Für einen der besten Songs dieses Zweitlings benötigt Kruspe keine stimmliche Unterstützung: „Born On My Own“ entpuppt sich als schwerfällige, stimmungsvolle Midtempo-Hymne mit ellenlangem, mehrfach explodierem Refrain; vielleicht der stärkste Solo-Emigrate-Track dieser Platte. Die Gastarmada wirft indessen einige Kraftpakete ab, darunter das verstörende, erhabene „Hypothetical“ mit Marilyn Manson und den gespenstischen, schleppenden Rausschmeißer „Silent So Long“ mit Jonathan Davis von KoRn, der nur langsam in die Puschen kommt. Definitiv nicht gerechnet hat man hingegen mit Lemmy. Mr. Motörhead grummelt sich durch „Rock City“, das zuweilen zerstörerische Ministry-Dimensionen annimmt und laufend von heulenden Fernweh-Gitarren unterbrochen wird – ein weiteres Monster.

Seine Schwächen hat „Silent So Long“ vor allem im Mittelteil. „Rainbow“ und „Faust“ wären wohl besser B-Seiten geblieben, und auch „Happy Times“, der gemeinsame Track mit Lebensgefährtin Margaux Bossieux, schleppt sich nur sehr mühsam ins Ziel. Zwar bleibt das zweite Emigrate-Album hinter seinen Möglichkeiten zurück, eine Reihe an potentiellen Hits mit veritabler Prominenz und die neue Kruspe-Hymne „Born On My Own“ bieten dennoch mehr als genug Argumente für einen Kauf. Kruspe ließ bereits die Möglichkeit eines weiteren Kapitels für Emigrate anklingen, wann auch immer es dazu kommen wird.

Emigrate - Silent So Long

Silent So Long
VÖ: 14.11.2014
Vertigo Berlin (Universal Music)

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