Lena – Crystal Sky

Lena

Ein schöneres Geburtstagsgeschenk hätte sich Lena nicht machen können. Es war der Vortag ihres 24. Geburtstages, an dem ihr mittlerweile viertes Album „Crystal Sky“ auf Platz 2 der deutschen Charts einstieg. Nicht selbstverständlich, zweieinhalb Jahre nach dem letzten Longplayer und nach einer musikalischen Hundertachtziggraddrehung, zumal die nach dem ESC-Sieg 2010 gefeierte „Lovely Lena“ ohnehin stark polarisiert. Mit „Crystal Sky“ nimmt die gebürtige Hannoveranerin vor allem jenen Kritikern den Wind aus den Segeln, die nach der Vorab-Single „Traffic Lights“ bereits erwarteten, dass Lena auf ihrem Album versucht, Ellie Goulding nachzueifern und gezwungenermaßen zu kopieren.

Tatsächlich lässt sich bei Songs wie „Traffic Lights“ und „Keep On Living“ eine gewisse Ähnlichkeit zum Material der britischen Erfolgssängerin nicht absprechen, was Lena jedoch auch gar nicht erst versucht. Sie habe sich von Gouldings Arbeit inspirieren lassen. Während ihr dies bei der Lead-Single auch noch bestens gelingt, ist „Keep On Living“ vor allem im Chorus zu sehr auf Radiofreundlichkeit getrimmt.

Auf „Crystal Sky“ stechen aber ohnehin in erster Linie die experimentierfreudigeren Nummern hervor. Allen voran „Beat To My Melody“. Die ungewohnt düstere Uptempo-Nummer ist das elektronischste, was Lena bisher abgeliefert hat, und stellt wohl den größten Bruch zu ihrem bisherigen Material dar. Dementsprechend dauert es auch ein paar Durchläufe, ehe der Song zu überzeugen weiß. Wesentlich schneller funktioniert die Umstellung beim etwas mysteriös anmutenden „4 Sleeps“. Ein aufdringlicher Bass dominiert die zurückhaltende Instrumentierung und schmeichelt Lenas warmen, etwas hypnotisierenden Gesang.

Der Titeltrack „Crystal Sky“, an dem übrigens auch die Ellie Goulding-Produzenten BIFFCO arbeiteten, klingt nach einem „Taken By A Stranger 2.0“. So verbindet der Song Lenas langsameren Gesang, mit teils wirren Sounds und quirligem Ad-libs im Chorus. Die Perlen hat sich Lena jedoch für den Schluss aufgehoben. Mit „Invisible“ scheint sie ihren inneren Stürmer und Dränger gefunden haben. Auffordernd, kraftvoll und treibend fallen Strophen und Chorus aus, die von einer unglaublich eingängigen Bridge verbunden werden. Ruhiger lassen es Lena und ihre Gastsänger bzw. -rapper Kat Vinter und Little Simz im sich direkt anschließenden Geniestreich „Catapult“ angehen. Die Kooperation überzeugt durch die bedächtige Produktion und die perfekt harmonierenden Stimmen. Mit dem vorletzten Titel „In The Light“ liefert Lena äußerst innovativen Elektropop, der im Vergleich zu den Songs der ersten Albumhälfte des Albums weniger überladen ist, nicht gleich nach Hit schreit und gerade deswegen gefällt.

Getreu dem Motto „man soll gehen, wenn es am schönsten ist“, setzt Lena ihren musikalischen Glanzpunkt ganz am Ende. Der operettenhafte Gesang von „Home“ packt den Hörer von der allerersten Sekunde. Dramaturgisch perfekt aufgebaut, steigert sich die Instrumentierung immer mehr und die Erwartung an einen wirklich grandiosen Chorus wird nur noch dadurch übertroffen, dass Lena am Ende klar, pur, intim und eben ohne die große musikalische Explosion den Refrain vorträgt.

Wer bereits bei „Stardust“ dachte, dass Lena ihren Sound gefunden hat, der lag zumindest nicht falsch. Richtig angekommen ist sie jedoch auf „Crystal Sky“. Zum ersten Mal hatte Lena nicht nur freie Hand bei der musikalischen Ausgestaltung, sondern traute sich auch ihren persönlichen Musikgeschmack in ihren eigenen Songs auszuleben. Dass die 24-jährige den Großteil ihrer Lyrics selbst geschrieben hat, hört man. Selbstbewusster, gekonnter und persönlicher. So klingt „Crystal Sky“ trotz der teilweise sehr ausladenden Instrumentierungen. Dabei sind es v.a. die weniger auf den Mainstream ausgerichteten Nummern des Albums, die überzeugen. Dass ausgerechnet den zwei Highlights „Catapult“ und „Home“ auf der Deluxe-Edition des Albums bereits ein Musikvideo zugestanden wurde, lässt darauf hoffen, dass Lena auch den Mut besitzt, eben diese Meisterstücke zu veröffentlichen.

Lena - Crystal Sky

Crystal Sky
VÖ: 15.05.2015
USFO (Universal Music)

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