Haudegen – Lichtblick

Haudegen

Die Genre-Bezeichnung Deutsch-Rock hat in den letzten Jahren eine ordentliche Wandlung durchgemacht. Anfangs ein Synonym für den Krautrock der frühen 70er, bezog sich der Begriff in den 80er und 90er Jahren auf Bands wie BAP oder Solokünstler wie Heinz Rudolf Kunze und Herbert Grönemeyer. Wer heute von Deutschrock spricht, meint damit jedoch am ehesten den rauen Straßenrock von mitunter eher konservativen, häufig sehr erfolgreichen Bands, wie den Böhsen Onkelz, Frei.Wild oder Kärbholz. Doch es gibt Ausnahmen: Haudegen aus Berlin beispielsweise gehören zu den erfolgreichsten aktuellen Deutsch-Rock-Bands und landeten mit ihren beiden bisherigen Alben zwei Mal in den Top 10 (goldene Schallplatte inklusive), konservativ sind sie jedoch keineswegs. Immerhin haben sich Hagen Stoll und Sven Gillert bereits deutlich gegen populistische Bewegungen wie Pegida ausgesprochen – und auf ihrem neuen Album „Lichtblick“ unterstreichen sie dies noch einmal.

Musikalisch decken die beiden Ex-Rapper mit flottem Deutsch-Rock, eingängigen Midtempo-Nummern und emotionalen Balladen hin- und herpendelnd, wieder die gesamte Palette des Genres ab. Beginnt das Album mit der Freundschafts-Hymne „Zusammen sind wir weniger allein“ noch überraschend ruhig, wird es bei „Für immer und ewig“ schon deutlich rockiger. Als erstes Highlight der Scheibe entpuppt sich die nachdenkliche und pathosgeladene Ballade „Gebrüder Schlimm“. Auch das flotte „Freunde in der Not“ ist musikalisch über jeden Zweifel erhaben, textlich übertreiben es Haudegen hier mit dem Pathos aber und erinnern dabei stärker an die Böhsen Onkelz als an ihre Idole Reinhard Mey, Hannes Wader und Klaus Lage. Da weiß das ebenfalls sehr rockige „Kleine Tragödien“ mit seiner gelungenen Anspielung auf die Dreigroschenoper schon deutlich mehr zu überzeugen.

Insgesamt 16 Songs haben es auf die CD geschafft, unter denen neben den bisher genannten besonders das vorab als Single ausgekoppelte „Gib mir mein Problem zurück“ hervorsticht. Hier bekommen nicht nur Hetzer wie Thilo Sarrazin, sondern auch die deutsche Sozialpolitik, die Medien mit ihren Feindbildern und der florierende Waffenhandel ordentlich ihr Fett weg. In eine ähnliche Richtung geht auch „Igor & Nassim“ – in Zeiten, wo der Islam und Russland allzu schnell als Sündenböcke herhalten müssen, haben Haudegen diese beiden Namen als Synonym für Freundschaften besonderer Art mit Sicherheit nicht umsonst gewählt. Gegen Ende des Albums haben sich zwar einige wenige mittelprächtige Nummern, wie z. B. der Bonustrack „Allein gegen Riesen“, eingeschlichen, doch glücklicherweise sind die starken Songs auf „Lichtblick“ insgesamt deutlich in der Mehrzahl.

Wer sich anstelle der CD für den Download des Albums entscheidet, erhält vier weitere Bonustracks, unter denen besonders das vor Wortspielen und Anspielungen an andere deutsche Interpreten nur so sprühende „Die Rezession“ zu überzeugen weiß. Es ist zu bedauern, dass es dieses Highlight nicht auf die CD-Ausgabe geschafft hat. Doch auch in der vorliegenden Form weiß „Lichtblick“ absolut zu überzeugen. Nicht nur Haudegen-Fans, sondern alle Liebhaber deutschsprachiger Rockmusik dürfen hier guten Gewissens zugreifen. Ab dem 06. Oktober kann man die neuen Songs dann auch live auf der 14 Konzerte umfassenden Haudegen-Deutschlandtour begutachten – und wer Haudegen kennt, weiß, dass die beiden Musiker auch live eine Bank sind!

Haudegen - Lichtblick

Lichtblick
VÖ: 25.09.2015
Warner Music

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