Placebo – MTV Unplugged

Placebo

Einst war ein „MTV Unplugged“-Album großer Karrierehöhepunkt und gleichzeitig Krönung für Bands und Musiker. Diese Ausnahmestellung hat die Reihe längst verloren. Wenn sie aber glänzt, dann dafür richtig – siehe zuletzt beispielsweise Max Herre und Gentleman. Auch Placebo werden nun in den nicht mehr ganz so elitären Kreis aufgenommen, und das pünktlich zum 20jährigen Jubiläum. Zu hören ist eine Band, die es sich verdient hat und so manche starke Idee aufs Parkett bringt.

Dabei beginnt das Konzert höchst ungewöhnlich mit einer Cover-Version von Sinéad O’Connors „Jackie“, die Brian Molko zunächst ganz alleine mit Gitarre bestreitet. „For What It’s Worth“ setzt ein und ist als einer von wenigen Songs nahe am scharfkantigen Original. Gerade die mitgebrachten Streicher und Begleitmusiker zeigen sich in dieser druckvollen, dramatischen Darbietung von ihrer Schokoladenseite. Das kurze String-Solo landet in der Kuriositätenkiste. „36 Degrees“, in den letzten Jahren kaum live dargeboten, rundet das emotionale Eröffnungstrio sauber ab.

Im Gegensatz zu anderen Unplugged-Konzerten sind bei Placebo kaum Gäste zu hören. Joan As A Police Woman verleiht dem ohnehin intensiven „Protect Me From What I Want“ eine weitere fordernde Note und die weitestgehend unbekannte Songwriterin Broken Twin findet für das komplett umarrangierte „Every You Every Me“ neue nasale Töne zwischen den Zeilen. Ebenfalls sehr schön und ganz solo: „Bosco“, erstmals live dargeboten, ein schier endloses Opus Magnus mit großen Gefühlen.

Die Mischung stimmt bei dieser Show: „Too Many Friends“ funktioniert prima nach einer bewegenden Zeitlupen-Version von „Meds“, auch das an sich treibende, energische „Slave To The Wage“ profitiert von balladesker Entschleunigung und mausert sich zum heimlichen Höhepunkt dieses Konzerts. Zum Abschluss setzen Placebo auf bewährte Klänge. Erst covern sie „Where Is My Mind“ von den Pixies und sind damit so nah wie noch nie an der Vorlage dran, dann orientiert sich „The Bitter End“ ebenfalls weitestgehend am wuchtig rockenden Original und hinterlässt schweißgebadete Sitzbanger im Publikum.

Freilich, ungewöhnlich ist die „MTV Unplugged“-Session von Placebo durchaus. Die Neuarrangierung so manches Klassikers will zwei- bis dreimal gehört werden, gelegentlich erkennt man ohne Textkenntnis auch nicht, worum es sich gerade handelt. Hier liegt aber der Reiz dieser Show, denn anstatt lieblos ihr Set runterzubeten, kombinieren die Britrock-Veteranen emotionalen Minimalismus mit Experimenten und kleineren Überraschungen – so, wie man sich das von dieser Konzertreihe wünscht. Druckvoll, verspielt, gefühlvoll und auf den Punkt – Unplugged par excellance.

Placebo - MTV Unplugged

MTV Unplugged
VÖ: 27.11.2015
Vertigo Berlin (Universal Music)

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