alt-J – Relaxer

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Was ist eigentlich Kunst und wie lässt sich die Theorie hinter entsprechenden Begrifflichkeiten erfolgreich in die Praxis umsetzen? Mit derlei beinahe existentialistischen Fragen beschäftigen sich aktuell alt-J. Das britische Trio räumte vor drei Jahren mit „This Is All Yours“ ab und zog sich nach absolvierter Tour erst einmal ein wenig ins Private zurück. Was tun nach dem Werk, das selbst die alte Avant-Garde in Schockstarre zurückließ? Gleich weiter dekonstruieren, denkt man sich, und wirft „Relaxer“ ab.

Dabei beginnt die Platte richtig stark mit zwei Wellenbrechern. Zugegeben, „3WW“ spaltete die Fanlager anfangs, macht sich mittlerweile aber prächtig. Natürlich schwingt – nicht nur hier – ein gewisser Radiohead-Vibe mit, freilich stürzen sich alt-J in emotionale Tiefen. Der pipifeine Minimalismus mit bewegendem Abgang und waberndem Bass mach dennoch Laune. „In Cold Blood“ ist sogar noch besser. Typische Bandsounds – etwas entrückt, etwas ausladend, schön breit – treffen auf Trompeteneinsatz. Ungewohnt? Keine Frage, aber eben auch ein Ohrwurm par excellance.

Danach wird es deutlich komplizierter. Mit der Folk-Ballade „Last Year“ haben sich die Briten keinen Gefallen getan, das sich davor auftürmende „Adeline“ kommt ebenfalls nur schwer in die Gänge und will zu viel. Im Bassgewitter von „Deadcrush“ schwingt die Frühphase der Band mit. Ein wenig Falsettgesang ist auch noch dabei. Das bizarre „Hit Me Like That Snare“ wirkt hingegen wie ein japanischer Fiebertraum der Doors – schräg, aber mit Grower-Potential ausgestattet. Im zerpflückten „Pleader“ schimmern Elbow und The Polyphonic Spree, ja sogar Arcade Fire durch, wenn auch auf komplett kaputte Weise. Und „House Of The Rising Sun“? Eine musikalisch wie textlich sehr frei interpretierte Cover-Version mit steigendem Suchtfaktor.

Also doch: alt-J wollen zu viel und scheitern stellenweise an ihren eigenen Ambitionen. Gerade die zweite Hälfte des Albums kann sich ein wenig ziehen. Und doch ist „Relaxer“ empfehlenswert, weil sich – wirre Präsentation hin oder her – überraschend bissige Banger, clevere Klangcollagen, feines Genrebending und ein berauschendes Animals-Cover die Klinke in die Hand geben. Die Briten erleiden zwar einen kleinen Rückschlag, lassen zugleich aber Unmengen an Ideen erkennen. Das wird schon wieder, ganz bestimmt.

alt-J - Relaxer

Relaxer
VÖ: 02.06.2017
Infectious / PIAS (Rough Trade)

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