Cassels – Epithet
Alternative Rock für die Generation Poetry Slam: So oder so ähnlich lässt sich der ungewöhnliche Sound der britischen Brüder Loz und Jim Beck beschreiben, die bereits seit ihrer frühesten Jugend gemeinsam Musik machen. Als Cassels vermischen sie Alternative, Punk, Noise und noch viel mehr mit wortreichen, ausschweifenden Texten, die keineswegs mit Sozialkritik und scharfem politischen Kommentar sparen. Nach diversen gefeierten Kleinformaten erscheint nun das Debütalbum „Epithet“.
Das geflügelte Wort ‚acquired taste‘ fällt immer wieder im Zusammenhang mit Cassels, und tatsächlich ist der Sound der Brüder höchst gewöhnungsbedürftig. Man nehme beispielsweise die beiden in Videoform ausgekoppelten Opener „Coup“ und „Let“. Beide rollen nur langsam an, nach ausladenden Intros und Wortspenden, nur um schließlich doch abzuheben – „Coup“, der etwas poppigere, hibbeligere Vertreter, „Let“ als bleierner Schweretreter (und -nöter) mit Alternative-Fragilität zwischendurch.
Genaues Hinhören ist gefragt, wenn Cassels über die Perspektivenlosigkeit in ihrem Heimatort referieren oder präzise Beobachtungen über gesellschaftliche Verhältnisse im Post-Brexit-Zeitalter anstellen. All diese Silben sprengen jegliche songpoetischen Konventionen, was wiederum zu den unorthodoxen Arrangements passt. „Sepia Good Times“ beißt und kratzt in betonter Lässigkeit, „Chewed Up Cheeks“ geht immer wieder an die Decke, bevor dicke Anti-Punk-Melodik ausgepackt wird, während „Where Baseball Was Invented“ mit College-Rock-Elementen experimentiert.
Überspitzt dargestellt, sind Cassels die Alternative-Antwort für Millennials auf den legendären Punk-Poeten John Cooper Clarke, dessen clevere und doch herrlich desolate Gedichte nach wie vor Generationen in ihren Bann ziehen. „Epithet“ ist gewiss keine Platte, über die man mal eben drüberhören kann, zu viele musikalische und lyrische Details halten sich in dieser kurzen wie effektiven Monstrosität versteckt. Offene Ohren und mutiger Geist werden mit spannenden Songs und einem der ungewöhnlichsten Power-Duos der jüngeren Rock-Geschichte belohnt.
Epithet
VÖ: 06.10.2017
Big Scary Monsters (AL!VE)
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