Brother Grimm – Home Today, Gone Tomorrow

Brother Grimm

Manche Filme werden mit Warnhinweisen begleitet, beispielsweise was Altersbeschränkungen und mögliche gesundheitliche Auswirkungen betrifft. Vielleicht wäre dies bei „Home Today, Gone Tomorrow“ auch nicht so verkehrt. Wenn Dennis Grimm, dieser bärtige Zwei-Meter-Hühne mit langen Haaren und dunklem Anzug, die Bühne betritt, erzittert das Gebälk. Nur mit einer Gitarre und zig Effektgeräten bewaffnet, kehrt er das Innerste des Blues nach außen und dekonstruiert Schwermut in seiner pursten Form. Selbst Nick Cave dürften die Knie schlottern.

Unter der Regie von Tenboi Levinson (Hodja) in Christiania aufgenommen, führt Brother Grimm das Bizarre und das Unheimliche auf gar fantastische Weise zusammen. Nur selten geht es so geradlinig vor sich wie in „Sharp’s The Word“. In drei kratzbürstigen, durchaus noisigen Minuten, die an Levinsons Hauptband wie auch an Grinderman erinnern, treffen Gift und Galle auf bluesige Lässigkeit. Mit zunehmender Spieldauer wird der Track lauter und schleißiger, nur um schließlich im Fade zu verhallen – großartig und herrlich aufwühlend.

Grimms Faible für ausladende Experimente verstört und beglückt zugleich. An einem „Still Afraid Of Germany“ dürften sich freilich die Geister scheiden. Ellenlang und von gewaltigen Breaks zwischen fragil und schroff regelrecht zerschossen, schwimmt dennoch immer wieder ein bewegendes Blues-Motiv an die Oberfläche. In „Echoes“ tauchen urplötzlich jazzige Elemente auf, während das folgende „Aloha“ angedeuteten Big-Band-Sound mit der Heckenschere jagt. Ebenfalls großartig und am Ende des Titelsongs versteckt: das bewegende Cover des Bowie-Klassikers „Heroes“, das wie ein entstelltes „Blackstar“-Überbleibsel anmutet.

Ja, verdammt noch mal, „Home Today, Gone Tomorrow“ ist ne unwahrscheinlich kaputte Platte geworden, die offene Scheuklappen und ein gewisses Faible für avantgardistisch-experimentelle Ansätze verlangt. Was King Krule auf „The Ooz“ für Jazz und Downbeat war, könnte Brother Grimm für Blues werden: ein Grenzgänger und Übertalent, wie man es nur einmal erwlebt. Konstante Verweigerungshaltung trifft auf eingängige Momente, begleitet von kaputter Existenz und unwahrscheinlich berührenden Melodien – ein Trip, der bei aller Vertrautheit doch unvergleichlich bleibt und noch sehr, sehr lange nachhallen wird.

Brother Grimm - Home Today, Gone Tomorrow

Home Today, Gone Tomorrow
VÖ: 26.01.2018
Noisolution (Soulfood Music)

Brother Grimm @ Home | @ Facebook
„Home Today, Gone Tomorrow“ @ Amazon kaufen