Still Talk – Year Of The Cat

Dass diese Band nicht aus Großbritannien oder Nordamerika kommt, fasziniert weiterhin: Still Talk punkten mit einem überaus intensiven Sound, der Alternative, Indie, Emo, Pop, Rock und Punk auf schwer zu greifende Weise vereint – hooklastig, kantig, mit Herz und Hirn. Das Quintett aus Köln konnte vor rund zwei Jahren mit dem Erstling „St. Banger“ bereits verdient abräumen und eroberte im Anschluss diverse Festivalbühnen. Für den Nachfolger erfüllte man sich den Wunsch von einem eigenen Studio und fühlte sich in diesem Nest hörbar wohl. „Year Of The Cat“ kommt zwar, wenn man den vietnamesischen Kalender konsultiert, schlanke zehn Jahre zu früh, macht im Hier und Jetzt aber dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – massig Laune.
„Blacking Out In TK Maxx“ – wer kennt dieses Gefühl nicht? Die Ermattung des Kaufhauses kollidiert mit dem drohenden Kollaps zwischen Wirklichkeit und Fantasie. Gemächlicher, herrlich schwerfälliger Alternative-Sound, dicke Pop-Hooks und diese omnipräsente Emo-Note kommen richtig gut. Tanja Kührer wirkt auf diesem zweiten Album noch präsenter und selbstbewusster, beispielsweise wenn sie sich in „I Speak Your Language“ mit Dialekt, Hochsprache und damit verbundenen Lebensrealitäten auseinandersetzt. Irgendwo zwischen Kraftakt und einem Hauch Melancholie wächst der Song weiter und weiter, bis zum obligatorischen kapitalen Gefühlsausbruch.
Das persönlich geprägte „Ghost“ erweist sich hingegen als Kraftakt auf allen Ebenen, explodiert regelrecht aus den Boxen und spielt gekonnt mit Laut-Leise-Dynamik. Einer der härtesten Tracks dieser Platte schafft den Spagat zwischen eindringlichen, reduzierten Strophen und mächtigen Druckwellen im Hauptteil. Der Titelsong „Year Of The Cat“ mit Brond von Just Friends ist hingegen eine etwas gemächlichere Angelegenheit und blüht mit seiner Pluralität an Melodien so richtig auf. Auch das Understatement von „Not Like This“, das immer wieder aus dem Status Quo auszubrechen versucht, ist großes Kino.
Tatsächlich scheint das neue Umfeld und das starke Team dahinter für Still Talk den entscheidenden Impuls zu geben, um musikalisch weiter zu wachsen. Ihr Emo-Pop, wie sie ihren Sound charmant nennen, geht mehr denn je ins Ohr, hat aber auch das Händchen für Handfestes, geht im richtigen Moment in die Vollen und genießt eine gewisse Zeitlosigkeit. „Year Of The Cat“ hätte vor 20 Jahren bereits abgehoben, macht auch jetzt Laune und sollte 2035 ebenso einschlagen. Das ist die Magie des Quintetts aus Köln, das richtig gute Songs schreibt, mit spürbarem Herzblut an die Sache geht und ihre sympathische Bühnenenergie auf Platte bannt.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 21.11.2025
Erhältlich über: hithome (Indigo)
Website: stilltalk.cool
Facebook: www.facebook.com/stilltalk
