Interview mit Cascada-Sängerin Natalie Horler
Dank „Everytime We Touch“ kennt man Cascada rund um den Globus. Dabei handelt es weniger um die bezaubernde Frau am Cover und in den Videos, sondern um einen Projektnamen um Yanou, DJ Manian und Natalie Horler. Auf ihrem neuen Album „Evacuate The Dancefloor“ probt das Trio den Aufstand mit mehr Pop und der einen oder anderen Ballade. Im Interview macht sich Gesicht und Stimme Natalie Horler Gedanken über Auftreten, Identität und Musik.
Fangen wir mit einer herrlich dämlichen Frage an. Euer aktuelles Album trägt den Titel "Evacuate The Dancefloor". Wie wollt ihr die Disco evakuieren? Wie sieht euer Einsatzplan aus und welche Erfolge konntet ihr bereits erzielen?
(lacht) Wir wollen ganz sicher nicht die Tanzfläche evakuieren. Der Albumtitel ist ein Wortspiel. Gerade als die Single frisch draußen war, haben wir herzlich über sämtliche Witzchen gelacht. Gerade die Nicht-Fans, die davon gelaufen sind (lacht). Natürlich ist es ein Wortspiel. „The beat is killing me“ – das klingt nach einer Krankheit, ist aber positiv gemeint.
Das neue Album ist eine Spur poppiger ausgefallen. Welchen Grund gibt es für diese Kurskorrektur?
Wir wussten schon lange, dass mehr in uns steckt als nur die eine Richtung. Wenn man mit einer Sache richtig gut fährt und Erfolg genießt, bleibt man natürlich erst einmal dabei. Nun „wagen“ wir zum ersten Mal was anderes. Mit dem Song „Evacuate The Dancefloor“ wollten wir ein wenig schocken und den Leuten die Augen öffnen, gerade weil es zuletzt etwas ruhiger um uns war. Die Reaktionen waren auch dementsprechend extrem. „Ist das überhaupt noch Dance-Musik?“ – „Das hört sich gar nicht nach Cascada an.“ – und so weiter. Die meisten Fans fanden es aber toll. Auf unserem neuen Album finden sich auch einige Sachen, die unserem alten Stil entsprechen, aber wir wollen auf „Evacuate The Dancefloor“ ein wenig experimentieren und ich denke, das ist uns ganz gut gelungen.
Du zitierst gerade diese Fanmeinung "Das hört sich gar nicht nach Cascada an" - wie klingt für dich Cascada 2009?
Unsere Songs haben einen bestimmten Klang, eine bestimmte Geschwindigkeit. Wir sind ein paar Beats per Minute runtergegangen, was es für einige Leute radiotauglicher macht. Vielleicht war unser altes Material härter, aber für mich haben wir schon immer gewissermaßen Popmusik gemacht. Dennoch ist es gewissermaßen auch noch immer Dance-Musik und vor allem Cascada.
Auch finden sich einige Ballade auf eurem neuen Album. Könnte man sich vorstellen - natürlich mit dem einen oder anderen revoltierenden Fan im Hinterkopf - so eine Ballade für den Herbst oder den Winter auszukoppeln?
Ich fände es eine schöne Idee und es ist durchaus realistisch, aber wir wissen noch nicht genau, ob wir das wirklich bringen können. Wir sind nun mal ein Dance-Act und da ist es ein Wagnis eine Ballade auszukoppeln. Das wäre ja so, als ob eine Heavy-Metal-Band einen Rap-Song auskoppelt (lacht). Das würde keiner erwarten. Ich würde mich darüber freuen, weil man gerade auf den Balladen hört, was gesanglich ist. Außerdem könnte man auf einer kommerziellen Ebene zeigen, was in uns steckt.
Ist es tatsächlich so, dass sich auf dem neuen Album keine Coverversion befindet?
Eine Coverversion ist drauf, nämlich „Hold On“. Ich kannte den Song vorher auch nicht, der dürfte auch relativ unbekannt sein. Es geht auch gar nicht darum auf einem früheren Erfolg aufzubauen. Für mich ist egal, ob es sich um einen eigenen Song handelt, oder ob dieser von einem anderen Songwriter kommt.
Verantwortlich für die Songs sind Manian und Yanou. Wäre es für dich interessant selbst Songs zu schreiben bzw. schreibst du selbst Songs?
Ich schreibe schon, aber bis jetzt nicht für Cascada. Wenn ich Zeit bekomme, mache ich das für mich. Auf dem Album ist bislang aber noch nichts gelandet. Yanou macht das so toll. Er hat auch Songwriter-Freunde, die ihm unter die Arme greifen, und bislang sind da auch nur schöne Sachen rausgekommen.
Cascada ist eigentlich ein Projektname, dennoch hat man vor allem dich im Hinterkopf, wenn man an die Band denkt. Siehst du Cascada als deinen Künstlernamen, oder versuchst du dich selbst davon abzugrenzen, sei es mit deinem eigenen Namen oder mit eigener Musik?
Wenn es darum geht, eines Tages vielleicht eigene Musik zu haben, dann läuft das unter Natalie. Mein eigener Name steht eigentlich immer sehr stark im Vordergrund, auch wenn manche denken, bei Cascada handle es sich um meinen Künstlernamen. Natürlich identifiziere ich mich mit Cascada. Es ist ein Projektname, klingt aber auch wie ein weiblicher Vorname. Die Kids nennen mich schon mal Cascada und wenn sie mich rufen, dann dreh ich mich auch um. So weit identifiziere ich mich mit dem Namen schon. Wenn es aber um die Wurst geht, stelle ich mich als Natalie von Cascada vor.
In der Bild-Zeitung wurdest du als "deutsche Madonna" bezeichnet. Ehrt dich dieser Vergleich, oder kannst du damit nichts anfangen?
Peinlich ist mir das auf jeden Fall nicht. Es ist toll, dass einen die Bild-Zeitung so featured, das wäre früher nicht möglich gewesen. Die Äußerung stammt nicht von mir, die kommt von einem Fan. So eine Schlagzeile braucht man immer. Vermutlich hat man die diversen Internet-Foren durchsucht und gerade jüngere Fans, die nicht mit Madonna aufgewachsen sind, wagen wohl solche Vergleiche. Zwischen Madonna und mir liegt aber ein Riesenunterschied, das versteht sich von selbst. Sie ist eine Riesenikone und ist schon wesentlich länger unterwegs als ich. Ich würde diesen Vergleich aber nie wagen.
Vor kurzem durftet ihr im Vorprogramm von Britney Spears' "Circus"-Tour auftreten. Wie war das Konzert und hattest du eine Chance sie zu treffen?
Nee, getroffen habe ich sie nicht. Das habe ich aber nicht erwartet, denn als großer Star will sie natürlich ihre Privatsphäre wahren, was ich voll und ganz verstehen kann. Britney wollte ich aber nicht unbedingt treffen, denn viel wichtiger war für mich die Chance aufzutreten und auf ihrer Bühne zu stehen. Ihr kurz die Hand zu geben und „Hallo“ zu sagen, darum geht es nun wirklich nicht.
Mir fällt auf, dass ihr besonders im Ausland - siehe Großbritannien - unheimlich erfolgreich seid, während in Deutschland immer noch so ein ganz kleines Bisschen fehlt. Hast du dafür eine Erklärung?
Es ist immer toll auf die #1 zu gehen wie in Großbritannien, aber das kann man nicht jedes Mal erwartet. Alleine in die Top 10 oder die Top 5 zu gehen, ist toll, und natürlich strebt man immer nach höherem. Ich würde mich aber nie beschweren, wenn es nicht für ganz oben reicht.
Kommen wir langsam aber sicher zum Schluss. Cascada haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt, zeigen immer mehr Facetten. Zeichnet sich ab, in welche Richtung die Reise gehen wird?
Zwischen dem ersten und zweiten Album war es eine kleine, jetzt war es eine große Entwicklung. Wir wollen uns sicherlich weiterentwickeln, allerdings natürlich, wahrscheinlich im Kleinen. Wir wollen etwas wagen und haben jetzt auch gesehen, dass das bei unseren Fans ganz passabel ankommt. Dadurch haben sich für uns auch weitere Türen geöffnet. Ich denke, die Entwicklung wird ähnlich sein. Man wird einen weiteren Schritt wagen und wieder ein bisschen anders klingen. Zwar werden wir schon anfangen über ein neues Album nachzudenken, aber bis das auch erscheint, werden sicher noch ein bis zwei Jahre vergehen. Bis dahin kann viel passieren.
(Mit freundlicher Unterstützung von Sascha Baur und Marcus Becker)
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Schönes Interview. Vor allem mit der Bild-Schlagzeile wurde mal aufgeräumt. Das wurde ja auf einigen Sendern breit getreten (z. B. RTL „Explosiv“). Denn es wäre natürlich eine lächerliche Aussage (wenn sie ernst gemeint wäre), da man Cascada natürlich nicht mit Madonna vergleichen kann. Aber den Vergleich hat sie ja nicht selber gezogen. Obwohl der Vergleich natürlich trotzdem etwas übertrieben ist, denn nach einer längeren Pause würde man sich an Cascada wahrscheinlich nicht mehr erinnern. Außerdem haben Cascada bis jetzt keine „Allerweltsmusik“ wie Madonna gemacht sondern doch eher Musik für eine Schublade. Und sowas wird natürlich kaum irgendwo gespielt. Ich selber hab Cascada immer gern gehört, aber es war doch zuletzt alles ziemlich nervig da es nun wirklich immer wieder dasselbe war. Man könnte meinen, es waren immer dieselben Drums und immer dieselbe Bassline. Aber mit „Evacuate The Dancefloor“ war ich doch echt mal erstaunt, daß sie auch endlich mal anders können. Es ist immer noch Dance & Pop, aber eben nicht mehr dieser dämliche Hands Up-Style. Das klingt nunmal immer wieder gleich und man kann es irgendwann nicht mehr hören. Sie sollten wirklich so weiter machen, man kann nunmal nicht ewig auf der Stelle treten. Auch für Cascada selber muß die Musik doch schon ziemlich nervig geworden sein. Da frage ich mich auch immer wieder, ob es die Produzenten nicht selber langsam mal ankotzt, immer wieder dasselbe zu machen. Ich hoffe zumindest, daß Cascada endlich abwechslungsreicher werden. So groß wie Madonna wird Natalie aber nie werden, das weiß sie auch selber. Dafür hat sie einfach zu wenig Präsenz. Die man ihr natürlich auch nie geben wird als stinknormaler Dance-Act. Ist leider so.