Isolation Berlin – Und aus den Wolken tropft die Zeit

Isolation Berlin

Tocotronic stecken in Gefühlsduseleien mit Zuckerguss fest, Kante residieren nach wie vor im Theater. Interesse an der hier entstandenen Lücke bekunden nun Isolation Berlin, die mit ein paar Kleinformaten bereits auf sich aufmerksam gemacht haben. Anstatt diese, wie ursprünglich geplant, nun für alle Zuspätgekommenen als Compilation zu verkaufen, wurden gleich zwölf neue Songs eingespielt. Nun erscheint beides: „Berliner Schule / Prototyp“, die Zusammenstellung alter Hits, und das brandneue Werk „Und aus den Wolken tropft die Zeit“. Zeitgleich. Orgasmisch.

Beobachtung 1: Isolation Berlin auf die beiden eingangs erwähnten Bands zu reduzieren, wäre ein fataler Fehler. Hinter dieser Dreiviertelstunde steckt noch so viel mehr Herzblut und Breite. Neben einem „Herz auf Stein“, das mit seiner Shanty-Magie ganz früher bei Vierkanttretlager funktioniert hätte, wartet beispielsweise der launige, sonnige 60s-Pop „Aufstehn, losfahrn“, dem der Albumtitel entsprang. Schön auch das von schroffen Noise-Gitarren und Uptempo-Drumming durchzogene „Ich wünschte, ich könnte…“, ein kleiner Ausflug gen zügellose Kratzbürstigkeit.

Beobachtung 2: Isolation Berlin haben sich verändert im Vergleich zu ihren EPs. Kein vorwitziges „Aquarium“ mehr, keine Referenzgewalt Marke „Der Bus der stillen Hoffnung“; sie klingen nun eine Spur forscher und bestimmter, wissen hörbar, was sie wollen. Der eindrucksvoll marschierende Opener „Produkt“, ein wenig Konsumkritik auf Kollisionskurs mit, auf textlicher Ebene, Rammsteins „Ich will“, verbindet eingängige Kauzigkeit mit Cleverness mindestens genauso gut wie das heftig schnaufende „Wahn“ oder das mit unterkühltem Post-Punk-Charme kokettierende „Ich küss dich“.

Vor allem verstehen es die vier Herren perfekt, richtig gute Songs mit herrlich poetischen Texten zu verfassen. „Fahr weg“ oder „Der Garten deiner Seele“ – zwei von vielen Liebhaberstücken. Zwar nicht durchgehend grandios, aber schon jetzt unheimlich vielversprechend: Isolation Berlin lassen Großes vermuten und legen mit „Und aus den Wolken tropft die Zeit“ ein leidenschaftliches Grower-Werk vor. Gekauft wird es am besten im Doppelpack mit der EP-Compilation, der exklusive Cover-Versionen von Nina Hagens „Fall In Love mit mir“ und „Isolation“ von Joy Division beigepackt wurden. Anders gesagt: 90 Minuten Gesamtkunstwerk für Gefühlsmenschen und Gitarren-Denker.

Isolation Berlin - Und aus den Wolken tropft die Zeit

Und aus den Wolken tropft die Zeit
VÖ: 19.02.2016
Staatsakt (Rough Trade)

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