Suns Of Thyme – Cascades

Geographisches Kuriosum: Suns Of Thyme ist ein Quintettaus Berlin ohne einen einzigen Berliner. Die fünf Mitglieder sammelten reichlich Erfahrung in anderen Bands, brachten es aber jeweils nie über ein Album hinaus. Irgendwann landeten sie schließlich in der Hauptstadt und vereinten ihre Vorlieben für Kraut, Psychedelic, Post Punk, Shoegaze und zahlreiche weitere düstere und experimentelle Klänge. „Cascades“ ist ihre zweite gemeinsame Platte und damit ein Novum für alle Beteiligten.
Über weite Strecken wechseln sich Licht und Schatten ab. Wenn Suns Of Thyme über sich hinauswachsen, wird es spektakulär. Da wäre beispielsweise der leidenschaftliche, pulsierende Opener „Do Or Die“, der die Post-Punk-Ursuppe auf einen treibenden Bass legt und, je länger der Track dauert, gehörige Interferenzen heraufbeschwört. Auch „In Dreams Awake“ bleibt hängen mit seinen dezenten Neu!-Querverweisen, New-Wave-Leichtigkeit und sympathischen Melodien. Mittendrunter schleichen sich erste Störsignale ein, auch die Rhythmusabteilung peitscht den anfangs unschuldig wirkenden Song voran und beflügelt regelrecht.
Wie schwierig es sein kann, das richtige Maß zu finden, zeigt sich im sechs Minuten langen „Schweben“, das eine an sich gute Idee ohne große Not in die Länge zieht. Ein Hauch von 70s-Rock hier, dezenter Kraut-Bodensatz da, und schließlich organische Entwicklung nebst endlose Wiederholungen – zu Beginn sympathisch, aber ein Bruch nach zwei Dritteln hätte deutlich besser funktioniert. Auch „Aphelion“, der zweite Gigant, droht in eine ähnliche Falle zu tappen, drängt sein schrilles Leitmotiv aber schließlich in psychedelische Untiefen und bezieht daraus herrlich wirre, positiv verstörende Kraft.
Kann man suchen ohne je etwas zu finden? So oder so ähnlich hört sich „Cascades“. Suns Of Thyme lassen sich von ihrem Experimentiergeist durch endlose Jams geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen ziehen. Gelegentlich unterhält das enorm und lädt zum Mitmachen ein, an manchen Stellen allerdings regieren Tristesse und Ermüdungserscheinungen. Vielleicht liegt die Kraft dieses Zweitlings in seiner Sinnsuche und bereitet Großes vor, doch noch herrscht der Eindruck vor, dass das Quintett noch ein wenig Zeit zur Selbstfindung braucht. Man möge sie ihnen geben, denn stellenweise lässt sich Großartiges erkennen und erahnen.

Cascades
VÖ: 27.05.2016
Napalm Records (Universal Music)
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