Hi! Spencer – Nicht raus, aber weiter

Hi! Spencer
(c) Andreas Hornoff

Bloß nichts überstürzen, dachten sich wohl Hi! Spencer, und schraubten gleich mehrere Jahre an ihrem zweiten Album. Die sympathischen Indie-Punks befassen sich mit Ängsten, inneren Konflikten, Resignation und Aufbruch, und kleiden diese Zerrissenheit in kraftvolle, mitunter peitschende und schon mal angenehm schroffe Arrangements. In „Nicht raus, aber weiter“ steckt hörbares Herzblut, Liebe zum Detail und Mut zur Introspektive.

Scharfkantige Gitarren, angedeutetes Uptempo und ein wenig Hoffnung nebst Melancholie – dieses schlichte wie packende Rezept begleitet weite Teile des Albums, wie auch die Single „Wo immer du bist“. In dreieinhalb Minuten entladen sich Hi! Spencer und schreiben, quasi im Vorbeigehen, einen unverschämt hymnischen Refrain, den man einfach mitsingen muss. Davor steht unerwartete Euphorie: „Weck mich auf“ explodiert ein klein wenig und denkt die letzten Alben von Jupiter Jones und Muff Potter im besten Sinne weiter. Das geht unter die Haut und in die Beine.

Ganz so positiv bleibt es allerdings nicht. Während die Gitarre in „Angst ist ein Magnet“ zunehmend gen Indie-Disco drängt, behandelt Sven Bensmann die lähmende Wirkung von Angstzuständen im Alltag. Das reißt mindestens so mit wie „Klippen“, das düstere Highlight dieses Albums. Komplette Entfremdung entlädt sich in einem wütenden, beinahe noisigen Finale mit unheimlich viel Druck und Leidenschaft. Da kommt das finale Doppel „Richtung Norden“ und „Deponie“ mit mehr Power, Uptempo und geschicktem Wechselspiel aus Weltschmerz und Pick-me-up genau richtig.

Einzig die ruhigen Momente zünden erst recht spät. Während „Hinter dem Mond“ die Kurve kriegt, bleibt „Der Küchentisch“ ein wenig in der Anonymität hängen. Soll aber nicht weiter tragisch sein, denn auf die gesamte, recht mächtige Spielzeit gesehen, reißen Hi! Spencer immer wieder von den Sitzen mit großartigen Songs und nicht minder packenden Texten. Es lohnte sich mit Sicherheit, etwas Zeit in das Songwriting zu investieren, denn diese Sammlung an Hymnen, Hits und verhaltenen Hoffnungsträgern spricht eine deutliche Sprache. Schweres zweites Album? Nicht mit Hi! Spencer.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 15.02.2019
Erhältlich über: Uncle M Music (Cargo Records)

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