New Pagans – The Seed, The Vessel, The Roots And All

New Pagans
(c) Aaron Cunningham

Lyndsey McDougall kam über Umwege zur Musik. Eigentlich wollte sie bereits in den frühen 2000ern in einer Band spielen, doch die Belfaster Szene war damals ein reiner Jungsclub. McDougall startete daher erst spät durch. Mit 32 gründete sie New Pagans und zeigt seither, dass sich Mutterschaft und Berufsmusikerin unter einen Hut bringen lassen können. Das Quintett tritt für Frauenrechte ein, für Sichtbarkeit und Inklusion in der Musikwelt, begleitet von schrammelndem Rock der Indie- und Alternative-Ausprägung. Für das Debütalbum „The Seed, The Vessel, The Roots And All“ vereinen die Nordiren die sechs Songs ihrer ersten EP mit fünf brandneuen Tracks.

„Harbour“ zählt zu den Standouts in vielerlei Hinsicht. Während das herrlich schmissige Arrangement mit seinem druckvollen, sich in bester 90s-Manier entladenden Refrain sofort hängen bleibt, macht die Story dahinter ebenfalls Laune. McDougall wurde wenige Monate nach der Bandgründung schwanger und machte schnell deutlich, dass sie trotzdem weiterhin Musik machen konnte und wollte. Später legt das kantige und zugleich luftige „Christian Boys“ einen drauf und spricht irischen Frauen aus dem Herzen, die keinen Bock auf die Scheinheiligkeit angeblich christlicher, überaus manipulativer Typen mehr haben. Der understatete und dennoch eindringliche Chorus schlägt ein, die noisige Explosion kurze Zeit später verdient mindestens so viel Liebe.

Die Abgründigkeit von „Charlie Has The Face Of A Saint“ kommt verdammt gut. Ein paar finstere Noten zerreißen die anfängliche Fragilität in der Luft, es wird richtig schön gallig und unbequem. „Yellow Room“ trägt einen feinen Hauch dessen in sich, bevor es explodiert und die manische Reaktion seiner lyrischen Vorlage, eine Kurzgeschichte von Charlotte Perkins Gilman, musikalisch umsetzt. Derlei Explosivität kennt der Opener „It’s Darker“ nicht, ist dafür von Anfang an ruppig, gibt sich rasend und doch irgendwie eingängig. Nicht zum einzigen Mal arbeiten sich einzelne Pop-Punk-Melodien durch das Dickicht verzerrter, scharfkantiger Pixies-Gitarren – das feiste und zumindest anfangs etwas zurückgelehntere „Lily Yeats“ trägt ähnliche Qualitäten in sich.

Anstatt sich einfach „nur“ den Wunsch einer eigenen Band endlich zu erfüllen, gibt Lyndsey McDougall Vollgas und macht deutlich, dass sie einiges zu sagen hat. New Pagans landen in einer Zeit des großen Umbruchs für Nordirland – die Rechte auf Abtreibung und gleichgeschlechtiche Ehe bestehen erst seit Ende 2019 bzw. Anfang 2020 – und bringen wichtigen frischen Wind ein. „The Seed, The Vessel, The Roots And All“ hat aber nicht nur schlagkräftige, starke Texte mit Haltung, sondern auch richtig gute Musik mit klassischen Indie- und Alternative-Klängen, die über weite Strecken vor gut zwei Jahrzehnten prima funktioniert hätten (o rly?). Richtig gut Songs von einer richtig guten Band: New Pagans machen unheimlich Laune.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.03.2021
Erhältlich über: Big Scary Monsters (Membran)

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