Jasper – Ohrenpost
Gitarre, Geschichten, geringelte Mütze. Seine Erkennungsmerkmale machten den 23-jährigen Jasper März im letzten Jahr zum millionenfach angeklickten YouTube Star. Jaspers lebendige Texte, sein Wortwitz und sein musikalisches Können, blieben auch der Musikindustrie nicht lange verborgen. Es folgte das Debütalbum „Neidlos“ und der Sprung in die hinteren Regionen der Albencharts. Keine zwölf Monate später wird nun nachgelegt. „Ohrenpost“ heißt der zweite Longplayer des „Liedermachers 2.0“, auf dem 13 neue Gitarrenpop-Songs Jaspers musikalische Erzählungen fortschreiben.
Kannte man bei Jaspers Debütalbum die meisten Songs bereits durch seine YouTube Live-Videos, so sind die neuen Werke auf „Ohrenpost“ zum Großteil unbekannt. Was einerseits mehr Spannung verspricht, bedeutet andererseits natürlich auch eine längere Gewöhnungsphase an das neue Material, das vom Stil her jedoch Jaspers musikalischem Konzept treu bleibt. Im Mittelpunkt stehen nach wie vor Jaspers Texte, seine Stimme und die Gitarre. „So lala“ eröffnet das Album und berichtet über den alltäglichen Kampf mit dem inneren Schweinehund. Dabei zeichnet der Song eine Vielzahl von Bildern, die teils kuriose Aktivitäten zur Bekämpfung der Langeweile darstellen. Schneller Sprachgesang und eingängige Melodie zeichnen den Song aus; Eigenschaften die auch das folgende „Unser Sommer“ mit sich bringt. Der gute-Laune-Sommer-Song steht dabei mit seinem verspielten Arrangement im Kontrast zu vielen der noch folgenden Songs. Das Urlaubsfeeling wird mit „Letzter Tag am Strand“ aufgenommen, jedoch mit einer Spur Wehmut und Melancholie versehen. Ein Song, der zum Träumen und Erinnern einlädt und dabei jede Menge innerer Ruhe ausstrahlt.
„Hätte ich“ ist einer der wenigen bekannten Songs und einer der ersten überhaupt, die Jasper im Alter von 16 Jahren geschrieben hat. Der Song erzählt von dem schmerzlichen Verlust eines geliebten Menschen und überzeugt mit seiner Atmosphäre und Glaubwürdigkeit. Eine reine Gitarren-Nummer mit großer Eindringlichkeit. Das komplette Gegenteil ist hingegen die ironisch humorvolle Geschichte von „Jenny“, die ihr Leben komplett ins Internet verlagert hat und mit Lebenslagen außerhalb der virtuellen Welt völlig überfordert scheint. Hier wird die Grundidee des „HDL-Songs“ aufgenommen und weitergedacht. Eine überspitzte Geschichte, frech und mit gekonnten Sprachspielereien erzählt.
„Immer noch hier“ und „Wann“ sind sich musikalisch recht ähnlich. Die Midtempo-Songs sind melodisch eher unauffällig, klingen in sich jedoch stimmig und harmonisch. Während „Wann“ die Grenzen zwischen Realität und Hirngespinsten verschwinden lässt, ist „Immer noch hier“ das scheinbar typische Beziehungsdrama, das sich letztendlich gar nicht als solches herausstellt. Eine nette Idee mit gelungenerer lyrischer Umsetzung. Umso einfacher und gradliniger ist hingegen die Ballade „Ich schlafe erst ein“, die sich dem Wesentlichen widmet und eine vorsichtige Liebeserklärung darstellt. Leider sind dabei auch viele Emotionen auf der Strecke geblieben. Nicht so bei „Lautlos“, dass sich ebenfalls dem Thema Liebe widmet und es dabei schafft, den Zuhörer mit auf eine Reise durch die Geschichte zu nehmen. Augen zu und wirken lassen.
Während „Noch nicht müde“ und „Wie immer“ unauffällig aber dennoch angenehm daher kommen, ist das Lied vom „Gewittertierchen“ verzichtbar, da es zwar durchaus ganz charmant vorgetragen wird, aber ohne jegliche Aussage bleibt. Den hier fehlenden Witz bringt hingegen der abschließende Live-Track Dörte D. mit sich. Hier zeigt Jasper noch einmal, wie viel Spaß das Jonglieren mit der deutschen Sprache bringen kann und wie er selbst eine simple Geschichte über eine ausländische Putzhilfe mit jeder Menge Wortwitz zu einem Highlight macht.
„Ohrenpost“ ist wie sein Vorgänger ein eher unkommerzielles Album. Das Album bietet keine typischen Hits, vielmehr erzählt es viele verschiedene Geschichten. Die sind im ausgewogenen Maße mal tiefgründig oder melancholisch, mal humorvoll oder ironisch. Jaspers Wortspielereien sind dabei immer in recht simple Arrangements eingebettet, die den gewohnten Akustik-Flair und Live Charakter nie vermissen lassen. Fast jeder Song von „Neidlos“ findet sein Pendant auf „Ohrenpost“ und doch klingen alle 13 Songs unverbraucht und frisch. Stimmlich liefert Jasper eine einwandfreie Performance ab und sorgt für eine teils mitreißende, teils mitfühlende Atmosphäre. Ganz sicher ist „Ohrenpost“ kein Album für jedermann. Doch wer ein offenes Ohr für musikalische Talente und sprachlich fein gestaltete Geschichten hat, der sollte sich hier unbedingt Zeit zum zuhören nehmen.
VÖ: 19.03.2010
Ariola (Sony BMG)
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Hätte ich (live):
Schön,dass dieser Ausnahmekünstler auch auf Beatblogger Platz bekommt.Ohne diesen Artikel wäre ich auf das neue Album nicht aufmerksam geworden.Vielen Dank!Ist nun bereits gekauft.
nach „Neidlos“ nochmal ein supertolles album von Jasper!
letzte woche gekauft und seitdem nix anders mehr gehört, einfach toll 🙂