The Ocean – Anthropocentric

The Ocean

Für mutige Konzepte outside the box sind The Ocean um Mastermind Robin Staps seit der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debütalbums 2002 bestens bekannt. 2010 gibt es gleich zwei Alben mit dem neuen Sänger Loic Rossetti, die noch dazu thematisch zusammenhängen. Nach dem vergleichsweise ruhigen und eingängigen „Heliocentric“, das von den Effekten des heliozentrischen Weltbildes auf Geschichte und Menschheit ausging, wendet sich „Anthropocentric“ nun deutlich weiter gesteckten Relationen zu.

Ist der Mensch nun der Mittelpunkt des Universums, wie man es von fundamentalischen christlichen Gruppierungen heute noch hört, oder doch nur ein Staubkorn im Nirgendwo? Kritisch gegenüber dem Christentum setzt sich „Anthropocentric“ mit Dawkins, Nietzsche und Dostojewski auseinander, bedient sich alter russischer Parabeln und fatalistischen Zukunftsvision. Gleichzeitig ist es der angekündigte deutlich härtere Bruder von „Heliocentric“ geworden, der mit mehr Druck, mehr Post Metal-Wahnsinn und scharfen Kanten zerstört.

Über den neuneinhalbminütigen Titeltrack hinweg geht es durch Berge und Täle, durch eine Mischung aus fiesen Growls und eingängigem Gesang eines Loic Rossettis, der nun endlich sein gesamtes Stimmvolumen beweisen kann und den Sound von The Ocean zu prägen vermag. Gerade im dreiteiligen „The Grand Inquisitor“ mit direktem Dostojewski-Bezug läuft das Sextett zu absoluter Hochform auf. Zwischen wütend dröhenden Post Metal-Passagen mit kehligen Shouts und unheimlich verzaubernden, mit angenehmen Vokal-Melodien garnierten Zwischenpassagen zeigen sich The Ocean auf dem Gipfel ihres Schaffens.

„Sewers Of The Soul“ überrascht hingegen mit einer Spielzeit von unter vier Minuten, teils deutschen Lyrics und relativ direktem Geballer, das verstärkt an die alten Veteranen Neurosis erinnert. Auf der anderen Seite der Extreme steht der Rausschmeißer „The Almightiness Contradiction“ – verträumter Post-Hardcore mit Keyboard-Strings-Atmosphäre und geheimnisumwobenen Klargesang. The Ocean loten ihre Grenzen in jedwede Richtung aus und komponieren beinahe im Vorbeigehen potentielle Klassiker wie „Heaven TV“, die in punkto Dynamik und Songwriting mit den Höhepunkt des Schaffens von Staps und Mannschaft darstellen.

Keine Frage, der Kreis schließt sich. Ohne Kollektiv im Hintergrund, dafür erstmals mit Songwriting-Beiträgen von allen liefern The Ocean ein weiteres Meisterwerk ab. Durfte man aufgrund der unverhältnismäßigen Leichtfüßigkeit von „Heliocentric“ noch dezente Zweifel an der Personalie Loic Rossetti hegen, so schwimmt er sich auf „Anthropocentric“ frei und macht seinen Vorgänger Mike Pilat vergessen. Fantastisches Songwriting, großartiges Konzept – ein weiterer Meilenstein ist erreicht. Wer soll The Ocean noch aufhalten?

VÖ: 19.11.2010
Pelagic Records / Metal Blade (Sony Music)

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