Sperling – Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie

Sperling
(c) Crankmerino

Es war eine mittlerweile Sensation, als „Zweifel“ vor gut drei Jahren zur Landung ansetzte. Die Mischung aus Rap, Indie und Post-Hardcore rannte offene Türen ein, Sperling durften fortan fleißig touren, nebst Headliner-Gigs zudem Support-Slots für Being As An Ocean und Marathonmann. Mittlerweile als Quartett unterwegs, trieben persönliche und gesellschaftliche Herausforderungen die Arbeiten an einem Nachfolger an, die Sänger Jojo sogar zum Umzug aus seiner Heimatstadt im Hunsrück führte. Die krachende musikalische Mischung blieb jedoch, ebenso die gefühlvollen wie präzise unbequemen Texte. „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ nimmt den albumtitularen Mund voll und lang beherzt zu.

Zwei durchaus prominente Gäste veredeln diese Platte. Der Opener „Meer“ wurde auf der Tour mit Being As An Ocean geschrieben. Deren Sänger Joel Quartuccio nahm einige Parts auf und sang sogar ein paar Zeilen auf Deutsch. Der bis jetzt wohl härteste Sperling-Track entpuppt sich als Hardcore-lastige Abrissbirne mit massig Gefühl und Dreck zwischendrin – ein Wechselbad der Gefühle und deutliches Zeichen gegen Stillstand. Mario Radetzky von Blackout Problems taucht in „Die kleine Angst“ auf. Dramaturgisch wertvolle Streicher, ominöse Strophen und ruppige, dennoch unverschämt eingängige Melodien finden zur überdimensionalen wie beklemmenden Hymne zusammen.

Natürlich machen Sperling ihre Sache auch ‚allein‘ richtig gut. Da wäre beispielsweise „Fallen“, ein basslastiges HipHop-Bekenntnis mit wuchtiger Deepness und omnipräsentem Unwohlsein. Hier braut sich etwas zusammen, das sich im folgenden „Frost“ langsam, aber bestimmt entfaltet. Vorsichtiges Vortasten, verwaschenes Idyll und derbe Breitseiten reizen das Post-Präfix nach allen Regeln der zerstörerischen Kunst aus. Im Vergleich dazu rollt „100 Tonnen Kummer“ fast schon funky an, doch täuscht auch das selbstverständlich. Pointierte Zeilen treffen direkt ins Herz, der zarte Gesang kokettiert auf gekonnte Weise mit Pop-Appeal.

Schweres zweites Album? Auf der Stelle treten? Darüber können Sperling nur lachen und bleiben doch ernst. Natürlich ist „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ so viel mehr als nur ein starker Titel, reizt die musikalischen Extreme noch weiter aus und bringt diese gekonnt zusammen. So entdeckt man neue Härtegrade, gibt sich noch beatesker, streut sogar echte Pop-Sensibilitäten drüber und folgt dennoch weiter der ureigenen musikalischen DNA, die Brücken schlägt und deren Erbau im direkten Anschluss hinterfragt. Spätestens jetzt sind Sperling angekommen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 23.02.2024
Erhältlich über: Uncle M Music (Rough Trade)

Website: sperling.band
Facebook: www.facebook.com/sperlingband