ORT – Maschinenhafen

ORT
(c) Yasha Heller

Ellenlange Songs ohne Gesang erzählen Geschichten – das sollte Freunden diverser Post-Präfix-Genres bestens bekannt sein. ORT haben damit zwar nur wenig am Hut, verfolgen aber ein ähnliches Konzept – etwas noisiger und kratziger, zugleich dem Drone nicht abgewandt. Kein Wunder, denn neben Simon Dümpelmann und Dennis Müller, die beide über ordentlich Sludge-Erfahrung verfügen, wirkt hier Drone-Veteran N aka Hellmut Neidhard mit. Nach einem Album und mehreren 7″-Singles legt das Trio aus Dortmund nun nach. „Maschinenhafen“ besteht aus zwei ellenlangen Tracks, jeweils über 20 Minuten, die hinter vermeintlicher Statik einiges an Klasse offenbaren.

„La Rochelle“, der erste und etwas kürzere Exkurs, scheint mit seiner Statik einzulullen, zieht dennoch Schritt für Schritt in media res. Scheinbar lockeres Drumming verdichtet sich, zunehmend Distortion verleiht einen drastischen Anstrich, während die Lead-Gitarre durchaus die Stimme erhebt. Hier sagt man genug, ohne tatsächlich etwas zu sagen, was gerade ob der mehreren kleinen Zäsuren prima funktioniert. Geschickt greifen die einzelnen Parts ineinander, ohne dass großartig etwas passiert. Wie sich das für Drone-Gefilde gehört, bleibt die große musikalische Auflösung, das Aha-Moment, komplett aus. Irgendwann ebbt das Geschehen ab, während das Nervenkostüm den Kriminaltango gibt.

„Achtern“ bringt eineinhalb zusätzliche Minuten auf die Waage und findet zunächst zu halbwegs klarer Melodik? Gut, hier von Melodien zu sprechen, ist natürlich so eine Sache, doch wirkt der Auftakt für ORT-Verhältnisse nahezu eingängig. Aus dem Spagat der Erwartungshaltung entsteht jedoch eine bedrohliche Monstrosität, die ihre klaren Momente hat, die selbst in widerborstigen Augenblicken so etwas wie erkaltete Hoffnung propagiert und mittendrin komplett kollabiert. Diese emotionale Schwere trifft wiederholt auf aufbrandende Gitarren, bevor, nach einem herrlichen falschen Ende, wütende Drone-Noise-Schleifen ein donnerndes Doria-Finale einläuten.

Desolater Charme zerlegt sämtliche Sinnesorgane mit wachsender Begeisterung: „Maschinenhafen“ ist eines jener Alben, das man kommen lassen muss, das sich erst mit Geduld und Sitzfleisch ergibt, das dafür mit der Zeit so richtig aufblüht … sofern man das für noisigen Drone und Sludge so sagen kann. Zermürbende Monolithen tanken sich gemächlich durch post-urbanes Kargland und beschwören eine Apokalypse, die vielleicht schon längst eingetreten ist. Im Malstrom zwischen Sein und Schein schaffen ORT Wunden, die für Finger gerade groß genug sind – eine erhabene, kathartische und zugleich auf wundervolle, nahezu idyllische Weise verstörend.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 01.12.2023
Erhältlich über: My Proud Mountain

Facebook: www.facebook.com/ORTband