Playfellow – Ephraim’s House
In Chemnitz wird eine schmerzliche Lücke geschlossen, deren Existenz wohl vielen gar nicht erst bekannt war. Fünf Jahre nach „Carnival Off“ gibt es endlich das dritte Studioalbum (möglicherweise ist es auch eine EP – die Angaben gehen auseinander) Playfellows. Mittlerweile ist der Sound des Quintetts organisch gewachsen, wird gemeinhin als „Indie Post Rock“ bezeichnet. Mit überlangen Arrangements, behutsamem Aufbau, Existenzängsten und einer der emotionalsten, bewegendsten Stimmen Deutschlands wird „Ephraim’s House“ zum grandiosen Erlebnis.
Fünf begeisternde Akte in Überlänge werden zum Monumental-Schauplatz für eines der interessantesten Alben des Jahres. Wer es über den Einstieg „Fears And Cities“ nicht schafft, hat schon verloren. Playfellow münzen den schrittweisen, behutsamen Aufbau der klassischen Post-Rock-Schule auf eine Mischung aus Indie und Glum um. Diesen Leisetreter bestreiten zunächst einzig Gitarre und Gesang, weitere Instrumente folgen. Nach vier Minuten schließlich der Ausbruch mit einem Hauch Britpop-Unterbau, wahnwitzigen Melodien, dezentem Noise-Einschlag und leidenden Vocals Marke Conor Oberst – eine echte Offenbahrung.
Damit ist das Plateau zwar bereits erreicht, aber auch nur deswegen, weil sich der Rest des Albums auf gleichem oder zumindest ähnlichem Niveau abspielt. Zwischen dem hibbeligen, beinahe tanzbaren „Hours And Months“, dem mit einem erhabenen Finale ausgestatteten „Our Room“ oder dem sanften Riesen „Starman From The Starsea“ bleibt es eindrucksvoll. Zum Abschluss packen Playfellow noch einmal alles, was sie haben, in einen Track. „Late Walk“ ist der energische kleine Bruder des Openers, greift die zum Karriere-Beginn gezogenen Radiohead-Parallelen erneut auf und brodelt von der ersten bis zur letzten Sekunde. Gerade die dynamische Rhythmusabteilung übertrifft sich laufend selbst.
Vertonte Gigantomanie ohne Ego: „Ephraim’s House“ ist zweifelsohne eines der besten Werke des Jahres. Die Art und Weise, wie Playfellow durch diese zugegebenermaßen etwas kurze Platte schreiten, ringt nicht nur Respekt ab, sie geht automatisch mit ungläubigem Staunen und wiederholten Freudentränen einher. In verspielter und doch ernster Manier ringen sie dem alten Hasen Post Rock eine gänzlich neue Bedeutungsebene ab und packen selbst die kleinsten Gesten mit überbordenden, ehrlichen Emotionen voll. Wer das hier nicht zu schätzen weiß, hat am Gitarrensektor nichts verloren.
Ephraim’s House
VÖ: 13.11.2015
Atomino Tonträger (Broken Silence)
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Ich kann der obigen Rezension nur beipflichten! Ein großes Werk, das eine Art Konzeptalbum zu sein scheint. Der Einstieg mit Fears and Cities ist perfekt traurig/dunkel/düster, die Stimmung wird über Our Room bis zum grandiosen Finale von Starman and the Starsea wunderbar zu wütender Verzweiflung aufgebaut und explodiert mit Hours and Months und der ersten Hälfte von Late Walk plötzlich in fast schon ausgelassener Fröhlichkeit. Die letzten Minuten der Platte lassen einen dann mit einem wunderbaren Ausklang erschöpft und glücklich zurück. Gleich wieder auf die 1 spulen? Unbedingt! Jeder Song für sich genommen ist ganz stark, und zusammen erzeugen sie eine Gefühlsachterbahn, die süchtig macht. Man weiß gar nicht, wie man von dem Album loskommen soll, wenn es einmal läuft… Im Vergleich zum Vorgänger Carnival Off tritt der Pop in den Hintergrund und lässt Rock- oder sogar Metal-Elementen den Vortritt. Die alten oft genutzten Vergleiche mit anderen Künstlern (Radiohead, Coldplay usw.) funktionieren nicht mehr. Playfellow sind irgendwie „mehr“ geworden.
Nach meinem Empfinden eine glatte 5/5. Für eine ganze Weile wird das mein Lieblingsalbum bleiben.