Travis – 10 Songs

Travis sind wie guter Wein, scheinen mit jenem Album besser zu werden. Klar, ihre größten kommerziellen Erfolge mögen an die 20 Jahre zurückliegen, doch erreichen die Studiowerke der vier Schotten nach wie vor regelmäßig verdiente Top-Platzierungen. Vergangenes Jahr blickten sie auf das große Jubiläum ihres Durchbruchsalbums „The Man Who“ inklusive Release der legendären Glastonbury-Performance zurück, nun gibt es neues Material. „10 Songs“ beinhaltet – richtig geraten – zehn neue, gewohnt zeitlose Tracks.
Wie schon auf dem Vorgänger setzt es auch hier wieder eine sympathische, durchaus unerwartete Kollaboration. Susanna Hoffs von den Bangles mischt in „The Only Thing“ mit – ein gewiss alles andere als vorhersehbarer Crossover. Der bewegende Pop/Rock-Track mit viel Gefühl und dezenter Folk-Note klingt tatsächlich nach beiden beteiligten Parteien und doch irgendwie ganz anders. Ein Hauch von Americana-Twang schwingt im Hintergrund mit. „Kissing In The Wind“ schlägt in eine ähnliche Kerbe – sehr ruhig, gefühlvoll und doch zwingend. Hier sind alle Trademarks der Schotten am Start, ohne auch nur eine Sekunde wie ein reiner Abklatsch zu klingen.
Gerade diese Selbstreferenzialität ist die große Stärke von „10 Songs“. Überall sind Elemente aus der illustren Karriere des Quartetts zu erkennen, bloß geht man zu keinem Zeitpunkt auf Nummer Sicher. Das kurze, energische „Valentine“ könnte stellenweise sogar als Querverweis auf das Debütalbum durchgehen. Dicke Gitarren, ungestüme Präsentation und das omnipräsente Händchen für eine packende Melodie ergeben eine weiteren modernen Klassiker. Hier spielt auch „A Ghost“ mit – insgesamt etwas rockiger und mit einer Spur Folk angereichert, ein wenig an den kommerziellen Peak der Band erinnernd. Im gefühlvollen, schwebenden „Waving At The Window“ kommt das Frühjahr durch, während „No Love Lost“ mit minimalistischem Feinsinn glänzt. Fran Healy scheint sich stellenweise für eine Gast-Performance bei Sigur Rós zu bewerben, und das macht erstaunlich viel Laune.
Travis sind und bleiben eine stille Urgewalt. Der Zahn der Zeit scheint gegen die schottischen Sympathieträger nichts ausrichten zu können, so angenehm vertraut, zeitlos und frisch wirkt auch diese kleine Songsammlung. „10 Songs“ ist letztlich genau das: zehn neue Lieder, die sich nahtlos in das packende wie vielschichtige musikalische Erbe des Quartetts einfügen. Noch dazu decken sie so ziemlich alle Phasen ihrer Karriere ab, werden ab und an etwas laut, dann wieder gefühlvoll und im richtigen Moment ernst. Die Mischung macht’s, und die ist auch ein Vierteljahrhundert nach der ersten gemeinsamen Probe im bekannten Line-up so packend wie eh und je.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 09.10.2020
Erhältlich über: BMG Rights Management (Warner Music)
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