Der Blum – Was bleibt

Der Blum
(c) Frank Eidel

Als Tieftöner und Co-Autor von Judith Holofernes sowie langjähriges Mitglied von Tele prägte Klang- und Wortschmied Jörg Holdinghausen die deutsche Indie- und Pop-Szene der letzten beiden Jahrzehnte, wenngleich bevorzugt aus dem Hintergrund kommend. Mit seinem Projekt Der Blum soll sich das ändern. Gemeinsam mit Benno Schmitz am Saxofon setzt es große Lyrik und anspruchsvolle, gerne mal etwas vertrackte Musik mit Pop-Chic. „Was bleibt“ erweist sich als komplexes, eigenwilliges und angenehm charmantes Wunderwerk.

Die jazzigen Vibes des Openers „Toyboy“ spielen befreit auf, wobei Holdinghausens Bass zum Motor, zur Triebfeder wird. Hingegen kreist das Saxofon sehr frei und lässig über dem Arrangement, streut immer wieder seine Parts ein. In Verbindung mit den zugleich konkreten und flirrenden Vocals werden schon mal Erinnerungen an Keine Übung wach. „War ja klar“, denkt man sich, und landet unweigerlich bei der ewigen Schwere des Seins, nachdenklich wie erdrückend. Ein konstanter Strom an Gedanken umspült das Nervenkostüm und sucht, ohne jemals zu finden.

Irgendwo zwischen Aufwachen und Entschlafen sucht „Der Traum (Schlaf)“ nach der Wirklichkeit inmitten der Unwirklichkeit. Engelsgleiche Erkenntnisse treffen auf ein quirliges Saxofon, das sich dem Frühling öffnet und bessere Tage begrüßt. Hingegen taumelt „Tief in der Nacht“ durch Spoken-Word-Poesie, während ein unheilvoller Basslauf die konkrete Sinnsuche in neue Sphären entführt. Es passiert nicht viel, doch hängt man Holdinghausen an den Lippen – ganz große Kunst. Im Vergleich wirkt „Annabel“ lieblich, konventionell, fast schon wie eine Singer/Songwriter-Nummer, kleidet große Gefühle in noch größere Worte.

Unerhört gut, möchte man fast sagen, gestaltet sich dieses Album. „Was bleibt“ ist vor allem eine Bühne für spannende Texte, Gedichte und Gedankengänge, die sich mit der Welt, mit existenziellen Fragen, aber auch mit den kleinen Wichtigkeiten des Lebens auseinandersetzen. Neben einer nicht minder einnehmenden Stimme wollen auch die Arrangierungen keinesfalls unter den Tisch fallen. Jazz, Pop, Indie, Art und Singer/Songwriter begleiten das Schaffen von Der Blum in wechselnden Konstellationen, so unvorhersehbar wie hochgradig faszinierend. Diese Platte ist ein packender Trip für die leisen, aber auch die aufwühlenden Aspekte des Seins, unfassbar sympathisch und hypnotisierend.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 23.06.2023
Erhältlich über: unserallereins

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