Sleater-Kinney – Little Rope

Sleater-Kinney
(c) Chris Hornbecker

Hinter dem elften Studioalbum von Sleater-Kinney – dem zweiten ohne Janet Weiss – verbirgt sich ein tiefer Einschnitt. Im Herbst 2022 erfuhr Carrie Brownstein durch Bandkollegin und Notfallkontakt Corin Tucker vom Tod ihrer Mutter und ihres Stiefvaters während eines Urlaubs in Italien. Trost fand Brownstein im Gitarrenspiel, und so traf man sich Monate später, einzig mit Instrumenten und Verstärkern, in einem Proberaum, um das Geschehen zu verarbeiten. „Little Rope“ befasst sich mit plötzlichen Verlusten sowie mit der konstanten Kollision von Gewissheit und dem Ungewissen.

Die zunächst gedämpfte, dann ausufernde Wucht des Openers „Hell“ bringt diese Platte auf den Punkt. Wie sich Sleater-Kinney aus der Fragilität erheben, sich für einen drückenden Refrain wieder aufbäumen und erst zum Ende hin alles einreißen, macht unheimlich viel Laune. Auch „Needlessly Wild“ muss erst nach seinem Platz suchen, ist von konstanter Spannung und Nervosität umgeben, während den Vocals etwas Giftiges, Scharfkantiges anhaftet. Diese spürbare, wenngleich reduzierte Intensität tritt immer wieder auf, beispielsweise wenn „Dress Yourself“ den etwas experimentellen Ansatz des Vorgängers aufnimmt und dem minimalistischen Track Feuer unterm Hintern macht.

Große Melodien haben Sleater-Kinney ebenfalls im Gepäck. „Say It Like You Mean It“ packt mit dem gewaltigen Refrain erst so richtig zu. Hier sorgte der mit einem Grammy ausgezeichnete Produzent John Congleton für die nötige Motivation und erklärte Tucker, dass der Gesangspart überarbeitet werden müsse. Das trieb sie anfangs zur Weißglut, das Ergebnis spricht jedoch für sich. Und auch im abschließenden „Untidy Creature“ ist es eine mächtige Hook, die alles mit wachsender Begeisterung zerlegt, gerade im abermaligen Wechselspiel zwischen behutsamen Strophen und ausuferndem Hauptteil, begleitet von spürbarem Wehklagen.

Aus Trauer geboren und von Ungewissheit umgeben, findet sich „Little Rope“ mehr und mehr mit jedem weiteren Durchlauf. Zwar wird der experimentelle Ideenreichtum im Vergleich zum Vorgänger eine Spur zurückgefahren, doch soll das nicht stören. Sleater-Kinney gehen ihren neuesten Streich wieder einen Tacken direkter und frontaler an, was ordentlich Unterhaltswert bietet. Zugleich hat man das Duo selten so fragil und intim gehört, begleitet von unfassbarer Stärke. Im steten Spagat der Widersprüchlichkeit entsteht das nächste grandiose Album, wieder etwas anders, dennoch zu jeder Zeit unverkennbar Sleater-Kinney.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.01.2024
Erhältlich über: Loma Vista Recordings (Universal Music)

Website: www.sleater-kinney.com
Facebook: www.facebook.com/SleaterKinney