Harmless – Springs Eternal

Harmless
(c) Drew Escriva

Mit 17 war Nacho Cano vor der weiten Indie-Blogwelt geradezu besessen und erkannte, das er auch selbst Musik machen könnte. Ein schwerer Einschnitt – Cano wurde wenige Jahre später auf seinem Radweg zur Arbeit von einem betrunkenen Autofahrer erfasst und lebensgefährlich verletzt – ließ den Optimismus erst einmal versiegen, unzählige Operationen rekonstruierten sein Gesicht und seine Wirbelsäule. Plötzliche erste Erfolge unter dem Künstlernamen Harmless – die Single „Swing Lynn“ konnte fast eine halbe Milliarde Streams einfahren – halfen beim Weg zurück. Nun steht mit „Springs Eternal“ ein erstes Album in den Startlöchern.

Immer wieder denkt Cano aka Harmless zurück an diesen schweren Einschnitt und spricht mit seinem früheren Ich. Viele Songs sind Zwiegespräche, setzen sich mit Erwartungen auseinander und stellen diese in den Kontext späterer Erfahrungen – Abermillionen an Streams, ausverkaufte Gigs, die eigene Hochzeit. Letzteres ist ein prima Stichwort für „What U Want“. Hinter Yacht-Klängen, Jangle und Soft Rock verbirgt sich eine beateske und doch zarte Hymne, die das Herz anspricht. „Couldn’t Be Me“ schwebt auf seinem sanften synthetischen Teppich und lässt die genaue Bedeutung offen. Ist damit die eigene Karriere gemeint oder doch die Erfahrung, Opfer eines schweren Verbrechens geworden zu sein?

Mit der Leichtigkeit ist es auf diesem Album so eine Sache, doch wirft man gerne einen Blick hinter das Netz mit seinem doppelten Boden, wo „Hate Me“ nach der perfekten melodischen Erfahrung sucht, den Track von bewusst schiefen Noten und einem verschleppten Beat dekonstruieren lässt. Der Ohrwurm-Charakter geht jedoch zu keiner Zeit verloren. Im magischen „Rosie“ tänzelt Harmless durch die Szenerie. Ist die Brille rosarot oder steckt doch mehr dahinter? Wie so oft bleibt die Antwort offen. Für das abschließende Ferrari verlässt sich Cano auf die Gitarre, reduziert den Track über weite Strecken auf das Wesentliche und lässt die feinen Melodieschichten erst langsam anrollen. Auch in diesem sehnsüchtigen Ansatz liegt unheimlich viel Reiz.

Man mag es den Arrangements nicht (immer) anhören, doch spielt sich hier tatsächlich jemand frei, dem das Schicksal übel mitgespielt hat, bevor der große berufliche wie private Erfolg einsetzte. Nacho Cano und Harmless verschmelzen und grenzen sich doch deutlich voneinander ab, das wird im Laufe dieses ersten kompletten Albums immer wieder klar. „Springs Eternal“ setzt sich intensiv mit dem Damals und dem Heute, vielleicht sogar dem Morgen auseinander. Die Musik täuscht Leichtigkeit an und schafft durch gerne mal unorthodoxe Details leichte Verwirrung, die Aufmerksamkeit fordert und die Ebene des Tiefgangs erschließen. Hier steckt viel Klasse und viel Gefühl drin – ein starker Einstand, der die bisherigen Singles und Kleinformate locker bestätigt.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 29.03.2024
Erhältlich über: Nettwerk Music Group

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