Rage – Afterlifelines

Rage
(c) Oliver Bob

40 Jahre Rage – die Herner Truppe um Sänger Peavy Wagner kann auf eine überaus bewegte Geschichte zurückblicken. Chaotischer wilder Speed Metal in den Anfangstagen als Avenger, der langsame, aber stetige Wandel zum leicht thrashigen Power Metal in der Triophase mit Manni Schmidt und Chris Efthimiadis und in der anschließenden Quartettphase Mitte der 90er, dann der plötzliche Wechsel zum orchestralen Metal, die Trennungs- und Krisenjahre, die folgenden progressiv-frickeligen Alben mit Victor Smolski und schließlich die Rückkehr zur Power Metal-Kernkompetenz Mitte der 2010er. Kann man im Jubiläumsjahr auf eine derart bewegte Vergangenheit überhaupt angemessen zurückblicken? Rage können, was sie mit dem Doppelalbum „Afterlifelines“, das musikalisch nahezu alle Phasen der Bandgeschichte berücksichtigt, fabulös unter Beweis stellen.

Die zum Trio geschumpfte Band (Stefan Weber scheidet aus privaten Gründen vorübergehend aus) hat ihr neues Werk aufgeteilt in die Power Metal-lastige erste CD „Afterlife“ und die orchestral begleitete zweite „Lifelines“-Scheibe. Mag man beim orchestralen Intro „In The Beginning“ noch denken, man habe die falsche CD eingelegt, zeigt der Opener „End Of Illusions“ dann aber deutlich, wo es lang geht. Der Track ist 100 % Rage und kann mit wuchtigem Power Metal inklusive thrashiger Gitarrenriffs und Ohrwurmrefrain punkten. „Under A Black Crown“ geht in eine ähnliche Richtung, während „Afterlife“ härtemäßig, aber keinesfalls qualitativ einen Gang zurückschaltet. Rage präsentieren sich hier stilistisch wie auf den letzten beiden durchweg hochklassigen Scheiben „Wings Of Rage“ und „Resurrection Day“. Die typische Power Metal-Schiene also, wie zu den besten Zeiten Mitte der 90er, wobei es aber auch Ausnahmen gibt. „Mortal“ und „Shadow World“ erinnern nämlich tatsächlich angenehm an die progressiveren Smolski-Jahre.

Wer die klassisch angehauchten Alben von Rage bevorzugt, der wird auf der zweiten CD sein Glück finden, wobei ein Teil der Songs härtemäßig deutlich über dem Level des genialen „XIII“-Albums liegt. „Cold Desire“ und „It’s All Too Much“ etwa sind trotz allen orchestralen Beiwerks knüppelharte Speed Metal-Nummern. Das hymnische „Root Of Our Evil“, das schleppende „Curse The Night“ oder die melancholische Ballade „Dying To Live“ fahren dann schon eher die klassische „XIII“-Schiene. Mit dem fast 10 Minuten langen „Lifelines“ ist der Band dann sogar ein kleines Magnum Opus geglückt. Die klassisch anmutenden Passagen der zweiten CD hat im Übrigen der Duisburger Keyboarder Marco Grasshoff ermöglicht.

Insgesamt ist Rage das Kunststück gelungen, musikalisch nahezu das gesamte musikalische Spektrum der Bandgeschichte (die wilden Avenger-Zeiten mal ausgeklammert) auf ein Album zu bannen. Für jeden dürfte also etwas dabei sein, egal ob das Rage-Lieblingsalbum nun „Trapped“, „The Missing Link“, „Black In Mind“, „XIII“ oder „Unity“ heißt. Der Band ist es damit gelungen, die letzten beiden durchweg guten Alben nochmals deutlich zu toppen. Rage haben dieses Mal voll abgeliefert, besser kann man Power Metal anno 2024 einfach kaum präsentieren, und für die Konkurrenz dürfte es schwierig werden, dieses Meisterstück zu toppen.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 29.03.2024
Erhältlich über: Steamhammer (SPV)

Website: www.rage-official.com
Facebook: www.facebook.com/RageOfficialBand