Michael Mind – My Mind

Willkommen im beatblogger.de-Gerichtssaal. Es ist bekannt, dass Geschmäcker verschieden sind und sich sehr gut darüber streiten lässt. Heute befindet sich deshalb auf der Anklagebank: Jens Kindervater aka Michael Mind. Herr Doom, ein gefürchteter Musik-Kritiker, klagt Herrn Mind wegen der Gefährdung des öffentlichen Musikgeschmacks an. Nach einigen kleineren Single-Delikten möchte der Angeklagte jetzt nämlich ein ganzes Album auf den Markt bringen. Herr Praise, der ehrenhafte Verteidiger, steht auf Michael Minds Seite und kämpft aus Überzeugung für die Veröffentlichung.


Das Gericht: Mister Doom, Sie beschuldigen Herrn Mind der Gefährdung des allgemeinen öffentlichen Musikgeschmacks?
Doom: Keine Frage! Alleine die letzte Single-Auskopplung „Show Me Love“ hat gezeigt, wie skrupellos und mit welchen dreisten Methoden der Beklagte vorgeht. Die Nummer kreist bereits seit Monaten als Bootleg aus einem aktuellen Club-Burner von Steve Angello und einem Dance-Klassiker von Robin S. durch die Clubs. Herr Mind hat den Track beinahe identisch nachgebaut und die kommerziellen Lorbeeren geerntet. Alleine dieser Ideenklau …
Praise: Einspruch! Diese Beschuldigung beruht auf einer sehr einseitigen Sicht und rückt die Tatsachen in ein falsches Licht. Der Angeklagte hat sich vor Veröffentlichung seiner Version gewissenhaft um die Rechte gekümmert und lediglich eine Chance genutzt, die ein anderer versäumt hatte.

Das Gericht: Stattgegeben!
Doom: Man schaue sich aber mal die anderen Singles an, die auf der LP „My Mind“ allesamt enthalten sind: „Blinded By The Light“, „Ride Like The Wind“, und auch „Two, Three, Four“. All diese Tracks beruhen auf einer Vorlage und sind wenig innovativ. „Don’t Walk Away“ fällt da zwar etwas aus der Reihe, ist aber bestimmt nur geschickt eingekauft worden.
Praise: Einspruch, Euer Ehren! Herr Doom stützt seine Argumentation gerade auf Spekulationen. Und außerdem: Seit wann ist covern ein Vergehen? Gerade in der Dance-Szene ist das doch Gang und Gebe! Und auch andere Bands aus anderen Musikbereichen – wie Rhythm Del Mundo oder Adoro zum Beispiel – machen auch nichts anderes als bewährte Hits in ihr Element zu bringen. Außerdem besteht „My Mind“ gerade mal zur Hälfte aus Cover Songs!
Doom: Nur zur Hälfte? Das ist mehr als genug! Wenn dann wenigstens ein paar in Vergessenheit geratene Songs verwendet würden, auf der Tracklist springen mir aber Titel wie „Insomnia“ und „Bakerstreet“ in die Augen. Muss das denn sein?
Praise: Zugegeben „Insomnia“ ist ein purer Nachbau des Faithless-Klassikers, ziemlich einfallslos und unnötig. Damit ist er aber der einzige Fehltritt auf der CD. Das instrumentale „Bakerstreet“ mit den Saxophon-Sounds kommt durch die aktuellen Electro-House-Sounds a la Klaas gut rüber und dürfte gerade nach Guru Joshs „Infinity 2008“ gefallen finden. Aus diesem Grund wird der Song auch bereits als nächste Single-Auskopplung gehandelt, wenn auch in einer abgewandelten Version.
Doom: Noch schlimmer. Eine geklaute Melodie mit einem geklauten Stil. Hohes Gericht, Sie hören, dass dieses Album eine Gefährdung für die gesunden, musikalischen Geschmacksnerven ist – sofern es diese bei den deutschen Hörern überhaupt noch gibt. So ein Album darf den Markt nicht verseuchen!

Das Gericht: Herr Doom, überlassen Sie diese Entscheidung doch bitte mir! Hören wir uns zunächst einmal die Argumente des Verteidigers an. Herr Praise, was spricht ihrer Meinung nach dafür „My Mind“ auf den Markt loszulassen?
Praise: Zunächst zeigt der Erfolg der genannten Singles natürlich die Beliebtheit meines Mandanten und rechtfertigt damit die Veröffentlichung des Langspielers. Wenige Dance-Artists können eine ähnliche Erfolgsbilanz sowohl in den Clubs als auch in den Verkaufscharts vorweisen: Die drei als Maxi-CD veröffentlichten Singles erreichten alle die Top 100, „Blinded By The Light“ ging sogar beinahe in die Top 10. Und das in Zeiten, in denen es Dance-Songs verkaufstechnisch noch viel schwerer hatten als heute.
Aber auch qualitativ braucht sich „My Mind“ nicht zu verstecken. Neben den fünf erwähnten Singles und den beiden anderen Cover-Songs „Bakerstreet“ und „Insomnia“ sind auf dem Album sieben weitere, brandneue und auch ganz eigene Songs enthalten, die sich allesamt hören lassen können. Nehmen wir zum Beispiel den wunderbaren Track „Hold On“. Die Akustikgitarre, die sommerlichen Dance-Beats und die guten, hochgesungenen Male-Vocals. Hier liegt ein erstklassischer Dance-Pop-Titel a la „Don’t Hold Back“ von den Potbelleez vor, an dem nichts zu bemängeln ist. Ebenso ist „Rise And Shine“ eine tolle, uplifting Piano-House-Nummer geworden, zu der Michael Feiner erstklassische Vocals beigesteuert hat. Hochkarätige Unterstützung erhält Michael Mind auch bei „Get Down“. Bei der gemeinsam mit dem Nebenprojekt Sunloverz produzierten Nummer, steht die in House-Kreisen sehr beliebte Sängerin Alexandra Prince am Mikrofon und auch bei „Superlover“ steuert sie ihre sexy Vocals bei. Selbiges gilt für das von Nicole Tylor gesungene „Feels Good“. Um Euer Ehren von der Qualität des Albums zu überzeugen, schlage ich vor in Beweisstück eins, den Titel „Hold On“, hineinzuhören.

Im Gerichtssaal wird ein Stereoblaster aufgebaut. Die sommerlichen Beats des Songs schallen aus den Boxen, von den Decken blitzen schillernde Disco-Kugeln hervor, die Menschen auf den Zuschauerplätzen im Gerichtsaal springen auf, beginnen zu tanzen und klatschen wild in die Hände. Als Mister Praise mit „Rise And Shine“ Beweisstück Nummer 2 auflegt, packen auch den Richter die pumpenden Beats. Er lockert den Kragen und wippt mit dem Fuß. Alle scheinen begeistert und auch der Kläger Doom hat Mühe und Not seine Erstauntheit über die Qualität der vorgeführten Songs zu verbergen. Nachdem der letzte Takt verklungen ist, ergreift Praise seine Chance und startet sein Abschlussplädoyer:

Praise: Sie sehen also, Euer Ehren, das Album „My Mind“ macht Spaß und hat durchaus qualitative Tanzmusik zu bieten. Der Langspieler ist mit den verschiedenen Dance-Stilen sehr abwechslungsreich ausgefallen: Von HandsUp, House bis Electro und mit dem Outro „Goodbye“ auch etwas Chill-Sound, ist für jeden Geschmack etwas vorhanden.

Der Richter nickt, ergreift den hölzernen Hammer und verkündet das Urteil:
Das Gericht: Ich habe genug gehört. Das vorliegende Beweismaterial spricht für sich. Das Album „My Mind“ stellt keine Gefahr für den Musikgeschmack der Öffentlichkeit dar. Dem Release steht damit nichts mehr im Wege. Das vorliegende Material wird zur Archivierung vom Richter höchstpersönlich in Beschlag genommen und sicher im heimigen CD-Player aufbewahrt.

VÖ: 31.10.2008
Kontor Records (Edel)
Michael Mind @ myspace | @ musicload | @ amazon

Beweismaterial 1: „Hold On“

Beweismaterial 2: „Rise And Shine“