Eurovision Song Contest 2009: Vorschau (2)
Am 16. Mai wird der alljährliche Eurovision Song Contest erstmals in Russland stattfinden, dem Land des letztjährigen Siegers Dima Bilan. Seine Ballade „Believe“ wusste sich souverän gegen moderne Popambition und exotische Rhythmuskraft zu behaupten. Jedoch gibt es keinen Stil mit Sieggarantie, dafür wieder facettenreiche Ansätze. beatblogger hört voraus, was im zweiten Semifinale am 14. Mai in der Olimpijski-Arena zu Moskau geboten wird.
Mit dabei sind unter anderem die Ukraine und Griechenland, das zweit- bzw. drittplatzierte Land 2008, dazu Rückkehrer Slowakei sowie der siebenfache Rekordsieger Irland.
Slowenien |
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Statistisch gesehen, hat es Slowenien bis jetzt nie über den Rang des Mitläufers hinaus geschafft. Ob es am Gesang lag? Dieser wurde im diesjährigen „Love Symphony“ jedenfalls stark zurückgenommen. Dargeboten wird es von ehemaligen Musikern aus der slowenischen Philharmonie, dem Saiten-Quartett Quartissimo, sowie Sängerin Martina Majerle. Sie sang bereits im Hintergrund des kroatischen Beitrags 2003, für Slowenien 2007 und Montenegro 2008. In „Love Symphony“ erfolgt erst nach einem Drittel des Songs ihr Gesangseinsatz, leicht operesk und weitgehend spartanisch. Denn das Stück war ursprünglich ein Instrumental. Majerles Lyrics wurden extra für den Song Contest hinzugefügt. Recht kritische Voraussetzungen für ein erfolgreicheres Abschneiden als dem des gewohnten Bildes…
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Dänemark |
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Nachdem dieses Jahr wieder ein dänischer Vorentscheid stattgefunden hat – 2008 war er aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ausgefallen –, stand fest, dass man es ganz auf die klassische Tour versuchen wird: Niels Brinck, Songwriter und Sänger aus Kopenhagen, tritt an mit „Believe Again“. Was anfangs noch eine sentimentale Pianoballade erwarten lässt, packt nach und nach sein Herz aus, lässt Brinck souverän agieren und weiß als butterweiche Gitarren-Pop-Nummer zu gefallen. Mitkomponiert übrigens von Ronan Keating. Dennoch: So schön, so austauschbar, so schwer wird’s Dänemark damit haben, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Denn das gewisse Etwas fehlt.
Niels Brinck @ MySpace
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Aserbaidschan |
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Beim Debüt im vergangenen Jahr landeten die beiden Sänger Aserbaidschans, Elnur and Samir, auf einem respektablen achten Platz. Für dieses Jahr entschied man intern, abermals auf ein Doppel zu setzen: AySel & Arash. Sie ist eine zwanzigjährige R&B-Sängerin, er iranisch-aserbaidschanischer Sänger und auch hierzulande kein Unbekannter. Mit „Boro Boro“ erklomm Arash 2005 die europäischen Charts. Sein eigens komponiertes Duett „Always“ mit AySel lässt sich sehr verheißungsvoll an. Ein infektiöser Rhythmus tanzt direkt ins Ohr, während beide Protagonisten ihren südöstlichen Charme spielen lassen. Es weht ein Hauch von Shakira über die Bühne. Und nicht zuletzt aufgrund des Arrangements von internationaler Klasse sei gewarnt: Der erste ESC-Sieg des Aserbaidschan könnte bereits bei der zweiten Teilnahme gelingen!
Arash @ Home | @ MySpace
Niederlande |
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Wer gedacht hat, dass die Zeiten von Boygroups vorbei sind, kennt den diesjährigen Beitrag der Niederlande noch nicht. Nach recht erfolglosem Abschneiden bei den letzten Teilnahmen, hat man sich nun für drei nicht mehr ganz junge Herren entschieden: De Toppers. Eine Wahl nach Popularität, zumindest in Schlager-Kreisen, die sich mit dem Titel „Shine“ offenbar auch auf Europa übertragen soll. Zu hören gibt es beschwingten Pop mit langatmigem Refrain und sogar weiblicher Unterstützung. Drei recht dralle Damen sorgen für einen gefälligen Chor in einem aber ansonsten kraftlosen Auftritt.
De Troppers Fansite @ MySpace
Lettland |
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Die Letten mögen es skurril. Zumindest wenn man ihren Beitrag des vergangenen Jahres, das eingängige „Wolves of the Sea“, in Aug- und Ohrenschein nimmt. Nachdem für 2009 die Boykottplanung – die Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen hatten aufgrund des russischen Vorgehens im Kaukasuskrieg über einen Boykott des ESC nachgedacht – dann doch keine Umsetzung erfuhr und man genug Sponsoren für ein nationales Finale finden konnte, fiel die Entscheidung abermals auf einen ’auffälligen’ Auftritt: Intars Busulis tritt an mit seinem lettischen Song „Sastrēgums“. Zwei Gitarristen, eine Blondine am Mikro, Pianist und Background-Duo geben ein hübsch verqueres Bild am. Dazu der Musicalsänger Busulis, dessen Uptempo-Song mit eingängigen Shouts und seinem entsprechenden Auftritt durchaus für Punkte ’gut’ sein wird.
Intars Busulis @ Home
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Ungarn |
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Nach dem Halbfinal-Debakel Ungarns in Belgrad, wo man Letzte wurde, soll es dieses Jahr besser werden. Probleme gab es allerdings schon beim internen Entscheid. So bekam der ursprünglich Dritte, der ungarische Sänger Ádok Zoli und sein Song „Dance With Me“, erst den Zuschlag, als das eigentliche Siegerlied disqualifiziert wurde und der zweitplatzierte einen Rückzieher machte. Zolis Song ist ein modern gehaltenes Popstück mit Beat und Tanzflächen-Flow. Visuell darf man gespannt sein, ob es eine tänzerische Zeitreise wird oder man sich auf einen Stil beschränkt. Letzter wird Zoli wohl nicht, erster sicherlich auch nicht.
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Serbien |
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Der Gastgeber des vergangenen Jahres greift für seine erst dritte Teilnahme bereits auf einen Sieger zurück. Nämlich den Erstplatzierten eines nationalen Musikfestivals, welcher damit auch Serbien beim ESC vertreten soll. Die Glücklichen sind der serbische Sänger Marko Kon sowie sein Partner am Akkordeon Milan Nikolić. Während sich dieser bis auf ein kurzes Solo zurückhält, bläst Kon mit „Cipela“ (’Shoe’) zur Balkan-Party. Sein voluminöser Afro-Look gibt der kultig-komischen Nummer ihr übriges. Denn haben sich die Ohren erst einmal eingehört, hat der charismatische Chorus seinen Weg schnell gefunden. Egal, wo man schlussendlich landen wird, irgendwie bleibt ein Stück Serbien in jedem Fall hängen.
Norwegen |
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Norwegen ist ein Land mit langer ESC-Tradition. Zuletzt gewann man 1995 den Wettbewerb. Der junge, aber ungleich talentierte Violinist Alexander Rybak wird die Skandinavier vertreten. Er beherrscht nicht nur sein Instrument, sondern singt auch, ist nebenher Komponist und Schauspieler. Sein Song „Fairytale“ ist natürlich selbst geschrieben. Inspiriert von norwegischen Klängen und zusammen mit einer modernen Folk-Tanz und -Turngruppe performt, präsentiert sich ein energiegeladener Folk-Ohrwurm. Rybak spielt die erste Geige und es würde überraschen, bekäme er im Finale nicht die Chance dazu.
Alexander Rybak @ MySpace
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Ukraine |
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Bei den beiden vergangenen Veranstaltungen gewann die Ukraine jeweils Silber. Es fehlte also nie allzu viel, den Sieg nach Ruslanas „Wild Dances“ 2004 wieder nach Kiew zu holen. Pop mit Potential für internationale Bühnen präsentiert man auch dieses Jahr: Mit Svetlana Loboda vertritt übrigens zum vierten Mal in Folge eine Dame die Osteuropäer. Ihr Song trägt den Namen „Be My Valentine“. Er konnte sich beim nationalen Finale gegen 14 andere Bewerber durchsetzen. Und das Rezept für den ukrainischen Punktefang ist nicht neu. Ein modernes Stück, angesiedelt zwischen Pop und R’n’B, brennt ein rhythmisches Feuerwerk ab, das Loboda durch ihren lasziven Gesang sehr effektiv zu steuern weiß. Sexy Tanzeinlagen geben ihr Übriges. Das ukrainische Rezept scheint einmal mehr aufzugehen.
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Griechenland |
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Vor drei Jahren waren wir in Athen zu Gast, den Helena Paparizous „My Number One“ Jahrs zuvor dorthin geholt hatte. Warum das interessiert? Besagte Veranstaltung hatte einen Moderator namens Sakis Rouvas. Vor Paparizous wiederum selbst angetreten, führte er dort durch den Event und probiert es jetzt, 2009 wieder als Vertreter Griechenlands. Zwölf Alben seit 1991 verdeutlichten sein nationales Standing. – International muss er sich selbiges mit „This Is Our Night“ dann in drei Minuten erarbeiten. Es ist kein Arrangement des gewohnten griechischen Zaziki. Vielmehr ein Song von internationalem Format. Moderne Dancebeats, elektronisch umgarnt und der souveräne Gesang Rouvas’ garantieren voraussichtlich den Einzug ins Finale.
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Litauen |
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Manch einem mag Litauens Auftritt beim ESC 2006 in Erinnerung geblieben sein, als man sich mit „We Are the Winners“ selbst zum Sieger erklärte. Es war das erfolgreichste Abschneiden des Landes mit Platz fünf bei sechs Teilnahmen. Die Prozedur des nationalen Vorentscheids konnte dieses Jahr der Sänger Sasha Son für sich gewinnen. Er tritt an mit einer Halbballade unter dem Titel „Pasiklydes Zmogus“ (’The Lost Man’). Erst nur mit Piano, später deutlicher orchestriert, bleibt gesanglicher Tiefgang aus. Zwar geben noch ein paar Damen ihr gesangliches Geleit, was diesem Titel dennoch nur Außenseiterchancen einräumen wird.
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Polen |
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Deutschland, UK und – richtig, Polen. Das waren die drei Letztplatzierten in Belgrad. Alles drei wollen’s in Moskau besser machen. Polens blasse Ballade ward damals schon direkt nach dem Auftritt vergessen und darum tritt man nun wieder an mit – richtig, einer Ballade. Diese ist jedoch ungleich entschiedener. Schwermütiger Pop schürt die Hoffnung. „I Don’t Wanna Leave“ lautet der Titel. Lidia Kopania, manchem vielleicht ein Begriff als Sängerin der Hamburger Gitarren-Pop-Band „Kind of Blue“, füllt ihn mit Leben. Ihre getragene, klare Stimme blüht mehr und mehr auf, erstrahlt schließlich aus ganzem Herzen, während ein sachtes Piano den Ton angibt. Vom Ansatz her gelungen. Über das Abschneiden entscheidet wer – richtig, bekanntlich andere.
Lidia Kopania @ Home | @ MySpace
Kind Of Blue @ MySpace
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Kroatien |
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Unauffällig. Ein Wort, das Kroatiens wenig nachhaltige Auftritte bei Eurovision Song Contests beschreibt. So scheint der diesjährige Beitrag so konsequent wie möglich ausgewählt worden zu sein. Die Wahl fiel auf den Sänger Igor Cukrov. Dieser machte sich bereits mit 16 einen televisionären Namen, als er bei der Balkan-Version von Endemols Fame Academy teilnahm. Er tritt an mit den östlichen Klängen von „Lijepa Tena“ (’Beautiful Tena’), massig Pathos, Oper und Duettpartnerin Andrea Susnjara. Dank ihr gewinnt der getragene, ansonsten ziemlich langweilige Song deutlich an Farbe. Sofern beide das Ticket zum Finale gewinnen, wäre in Moskau sicherlich das Ziel erreicht.
Hörprobe „Lijepa Tena“ einblenden
Estland |
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2001 war das Jahr Estlands. Tanel Padar & Dave Benton gewannen mit ihrem Song „Everybody“ und holten den Eurovision Song Contest nach Tallinn, wo man selbst wiederum Dritte wurde. Doch seit 2004 und der Einführung des Halbfinalsystems konnte man sich nie wieder für das Finale qualifizieren. Was für eine Tragik! Wird es in Moskau wieder klappen? Ihr Bestes geben wird die sechsköpfige Band Urban Symphony mit ihrem Song „Rändajad“ (’Die Wanderer’). Mit Cellos und Violinen präsentiert man sich klassisch, lässt durch Synthies zudem moderne Facetten einfließen. Ein experimenteller Wohlklang entsteht, dem die zwanzigjährige Sängerin Sandra Nurmsalu schließlich mit ihrer klaren Stimme seinen Charakter gibt. Kann was, nur der ESC hat bekanntlich seinen eigenen Gesetze.
Hörprobe „Rändajad“ einblenden
Moldawien |
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Moldawien, war bisher dreimal beim Eurovision Song Contest mit dabei und hat einen sechsten Platz 2005 als bestes Ergebnis zu Buche stehen. Eingeleitet von einem langen Klagelaut und Trompeten, tritt man dieses Jahr mit Nelly Ciobanu und ihrem Tanzappell unter dem Titel „Hora Din Moldova“ an. Ganz dem südöstlichen Charme, verfügt das Ganze über viel Rhythmusgefühl, dessen Anreicherung durch ein Bläser-Arrangement und männliche Shouts ordentlich Feuer unter dem Hintern macht. Ein bisschen mag es an Ruslana erinnert, allerdings sind hier die gesanglichen Mängel unüberhörbar.
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Zypern |
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Zypern tut sich schwer. 2005 erreichte der Inselstaat zuletzt das Finale. Dieses Jahr entschied sich das zypriotische Publikum für die junge Sängerin Christina Metaxa. Mit ihren 16 Jahren erfüllt das Mindestkriterium der ESC-Teilnahmeregeln. Metaxas Song „Firefly“ beginnt als wehmütiger Traum, passend durch das Nachklingen einer Spieluhr unterlegt. Langsam werden Konturen hörbar. Mit Piano-Unterstützung geht ein Gruß an Coldplay, während die ganz in Weiß gekleidete Sängerin Gefühl walten lässt. Stimmlich probiert sie angenehme Höhen und Tiefen, offenbart bei beidem jedoch ihre Grenzen. Ob es dieses Jahr etwas mit Zypern wird, scheint fraglicher denn je.
Irland |
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Auch wen Irland den ESC schon siebenmal gewinnen konnte, das letzte Mal in 1996 ist schon lange her. Zeit also, den Verstärker mal wieder so richtig aufzudrehen. Im nationalen Vorentscheid zeigte sich Entschlossenheit, als die Sieger 78 von 80 möglichen Punkten ernteten. Gewonnen haben die irische Rock-Band Black Daisy und Sängerin Sinead Mulvey, angetreten mit dem gemeinsamen Song „Et Cetera“. Ein zündender Uptempo-Rocker brettert heran. Pop-Appeal und erfrischende Gitarrenriffs dominieren gleichermaßen. Unterlegt mit einer harmonischen Keyboard-Melodie, greifen Mulveys sowie mehrstimmiger Gesang fließend ineinander. Außenseiter-Chancen hat das kurzweilige „Et Cetera“ auf jeden Fall. Doch eigentlich hat Irland hiermit deutlich mehr verdient.
Sinead Mulvey @ MySpace | Black Daisy @ MySpace
Hörprobe „Et Cetera“ einblenden
Slowakei |
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Es ist die erste Teilnahme der Slowakei seit 1998. Die drei vorherigen waren von keinem besonderen Erfolg gekrönt. Jedoch ließen jetzt die finanziellen Mittel es endlich wieder zu, das lang signalisierte Interesse an einer Rückkehr in Musik umzusetzen. In Persona von Kamil Mikulčík und Nela Pocisková wird ein Duett zu hören sein. Ihr Song „Leť tmou“ (’Fly Through Darkness’) hat Gefühl, wird dominiert durch ihre druckvolle sowie seine dunkle Stimme und lässt diesen Kontrast wirken. Beide singen in Slowakisch, was bei der zunehmenden Anzahl englischsprachiger Titel durchaus als sympathisch zu bewerten ist. Begleitet von Flügel und klassischen Instrumenten avanciert der Titel zu einem wahnsinnig gefühlvollen, gar leidenschaftlichen Stück. Willkommen zurück, Slowakei!
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Albanien |
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Albanien hat nach drei Teilnahmen noch keine große Tradition. Gleiches gilt für das bisherige Abschneiden. In der nationalen Qualifikation setze sich, die nach Zypern zweite sechzehnjährige Sängerin Kejsi Tola durch. Sie wurde 2007 Siegerin des ’Albanien Idol’ und wird nun ihr Land in Moskau vertreten. „Bring Me In Your Dream“ ist eine Mischung aus akzentuiertem Keyboardsound, den man zuletzt aus Eurodance-Zeiten kannte, sowie einer Prise klassischer Streicher. Den lebendigen Auftritt kann Tola dennoch nutzen, um ihr gesangliches Superstar-Potential zu unterstreichen. Trotzdem wirkt alles irgendwie unentschlossen. Ende offen.
Hörprobe „Bring Me In Your Dream“ einblenden
Nächste Woche folgt der dritte und damit letzte Teil der Vorschau. Dann über die BIG 4 des Finales sowie den automatisch qualifizierten Gastgeber.
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