Lemmy – 49% Motherf**ker, 51% Son Of A Bitch

Lemmy

Er ist wohl der letzte Held, der letzte Outlaw des Rock’n’Roll – Lemmy Kilmister. Am 25. Dezember 2010 feierte der Brite seinen 65. Geburtstag, seine legendäre Band Motörhead das 35jährige Jubiläum und in Form von „The Wörld Is Yours“ das 20. Studioalbum. Nun finden die größten Warzen der Rockgeschichte auch den Weg ins (Heim-)Kino. Die Doku mit dem charmanten Untertitel „49% Motherf““ker“, 51% Son Of A Bitch“ ist ein erfrischendes, angenehm authentisches und vor allem greifbares Portrait einer lebenden Legende.

Lemmy in seinen eigenen vier Wänden, vollgeräumt mit Erinnerungsstücken jedweder Art (jedoch ohne weitestgehend sichtbares NS-Memorabilia – der Film wurde für den deutschen Markt um entsprechende Stellen gekürzt) und einem Haufen Müll. Der Altmeister quält seine Spielekonsole, kocht, isst. Es ist ein erster Schritt, um sich dem Mythos und Menschen Ian Fraser Kilmister anzunähern. Man hätte wohl DVDs mit der illustren Karriere von Motörhead füllen können, doch die Mitstreiter Mikkey Dee und Phil Campbell werden zu bloßen Statisten degradiert, sind wenig bis gar nicht (vornehmlich in eigenen Featurettes auf der Bonus-DVD) zu sehen. Man munkelt ja, dass Campbell deswegen auf die beiden Filmmacher Greg Olliver und Wes Orshoski schlecht zu sprechen sei.

Dem Duo ist es gelungen einen Blick hinter die Fassade des grummelnden Bassmonsters zu werfen. Seite Zeit mit The Rockin‘ Vicars und Hawkwind wird in nebenherlaufenden Erzählsträngen beleuchtet, das Monster Motörhead in seinen Anfängen und beim gegenwärtigen Tour-Alltag (zum letzten Album „Motörizer“) betrachtet. Von zahlreichen Rock- und Metal-Größen wie Ozzy Osbourne, Slash, Dee Snider (Twisted Sister), Scott Ian (Anthrax), Henry Rollins (Black Flag) und Alice Cooper gibt es O-Töne in Hülle und Fülle. Mit Dave Grohl (Foo Fighters, Nirvana) geht es ins Studio, mit Metallica (ein blutjunger Lars Ulrich soll Lemmy vor drei Dekaden in die Stiefel gekotzt haben, was wiederrum im Fotoformat in einem Motörhead-Booklet zu finden sei) steigt Lemmy auf die Bühne für zwei Songs. Billy Bob Thornton ist in einer angeregten Unterhaltung mit dem Briten zu finden, während WWE-Superstar Triple H über den Schöpfer seines Entrance Themes nur lobende Worte findet.

Während den 104 Minuten Spielzeit kommt man der Überfigur Lemmy kaum auf die Schliche – sein Mythos wird schrittweise dekonstruiert, die Person dahinter freigelegt und vorgestellt. Neben dem hervorragenden Extra „The Sweet Side of Lemmy“, das Anekdoten über die höfliche und hilfsbereite Seite des „Rainbow“-Inventars zusammenfasst, bleibt vor allem eine Szene dauerhaft in Erinnerung, die jede Hendrix-Erzählung und Hawkind-Erinnerung in den Schatten stellt. Lemmy sitzt in seiner Wohnung, gemeinsam mit seinem erwachsenen Sohn Paul Inder in einem Raum vollgestopft mit Erinnerungsstücken und kleinen Schätzen, sechs Dekaden Ramsch. Auf die Frage, was für ihn das wertvollste in diesen vier Wänden sei, antwortet Lemmy: „Mein Sohn“ – ein Moment, der nicht nur Inder selbst zu tiefst beeindruckt. Spätestens hier erkennt man den (sympathisch kauzigen und herrlich unorthodoxen) Menschen hinter der überlebensgrößen, Jackie-Coke schlürfenden, Bass-spielenden und ins zu hoch hängende Mikrophon brummenden Ikone.

Olliver und Orshoski haben in drei Jahren Arbeit ein herausragendes Portrait der ultimativen Verkörperung des Rock’n’Roll-Geists geschaffen. Ob im Studio, auf der Bühne, in der Kneipe, im Casino oder Backstage – Lemmy Kilmister wird greifbar, wird in all seinen Facetten präsentiert. Jede Acid-Weisheit, jeder Whiskey-geeichte Witz findet Platz. Abgerundet wird das 2-DVD-Paket (auch auf BluRay erhältlich) mit einer Fülle an Bonusmaterial. Man bekommt Motörhead live zu sehen, sieht Material des legendären Metallica-Konzerts zu Lemmys 50. Geburtstag und bekommt ausführliche Interviews und Gespräche dargeboten. Auch die beiden Regisseure kommen kurz zu Wort und verraten, dass sie für die Kochszene erst einmal Lemmys dreckige Küche stundenlang putzen mussten – ein Heidenaufwand für wenige Sekunden im Film. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schrubben sie noch heute. Killed by death, sozusagen.

VÖ: 21.01.2011
Entertainment One

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