Lindsey Stirling – s/t

Lindsey Stirling

Sie ist die Erste im Sinfonieorchester, das Größte aller melodiösen Gefühle, zwischen Barock, Kammermusik und feinstem Fiddle Folk: die Violine. Dass man mit ihr auch dramatischen Dubstep kreieren kann, ist neu. Lindsey Stirlings Geigenkunst überrascht und zeigt zudem, dass es der jungen US-Amerikanerin weder an Persönlichkeit noch an Ideenreichtum mangelt. Erst dank der Videoplattform YouTube erfuhr die 26-Jährige den nötigen Zuspruch für ihre Intonierungen – und den basslastigen Saitentanz.

Etliche selbstproduzierte Clips visualisieren Stirlings Songs. Über 228 Millionen Videoaufrufe erreichte der Kanal bereits. Dabei erschien das nach ihr betitelte Debütalbum in Amerika erst im vergangenen Jahr. Ein Erfolg, dessen Grundstein sie schon früh legte. Inspiriert von der väterlichen Plattensammlung klassischer Musik, begann sie im Alter von fünf Jahren, ihr Instrument zu erlernen. Mit Enthusiasmus entwickelte sich offenbar auch das Interesse an unkonventionellen Spielarten. Deren moderne Ausprägung stellt die traditionelle klassische Attitüde nun weit in den Schatten. Was bei „America’s Got Talent“ nur zum Viertelfinale reichte, blüht mittlerweile in der gekonnten Symbiose aus populären Streichermelodien zu variierenden Beats und Rhythmen regelrecht auf. Die choreographierte Unbekümmertheit ist Teil der Show. Doch wie wirkt die Musik allein?

Zwölf knackige Songs umfasst „Lindsey Stirling“. Zu hören gibt es eingängigen Violinen-Elektro-Dance-Pop, der aufgrund seines repetitiven Charakters vehement auf die Tanzfläche drängt. Auf maschinell-minimalistische Bass-Beat-Muster und dezent auftretenden Synthies erstreckt sich Stirlings expressives wie wendiges Spiel. Eins greift ins andere. Eher geschmeidige Landschaften lassen einen geradezu schweben, um kurz darauf wieder wuchtig auf den Boden zu stampfen. Wie in den krachenden Dubstep-Emotionen von „Crystallize“ und „Elements“, deren kühle Schläge eine warmherzige Umgarnung auf vier Saiten erfahren. Eine fesselnde Verbindung zweier Welten. Auch in starkem Kontrast stehend. Luftige Stücke („Electric Daisy Violin“) treffen auf melancholische („Song of the Caged Bird“), eher sprunghafte („Stars Align“) und virtuose Uptempo-Nummern („Transcendence“, „Spontaneous Me“).

Fernab klassischer Arrangements ist es ein inspirierender Flug an Fantasien. So klingt melodische Coolness („Shadows“) in ästhetischer Umsetzung. Die es freilich auch erst zu erkennen gilt. Sofern man Stirlings natürliches Wesen bereits aus ihren Videos kennt, reicht beim Hören das innere Auge, um in die zugehörenden Welten mit einzutauchen. Im anderen Fall bedarf es durchaus gesunder Experimentierfreude zur dauerhaften Überzeugung. Denn Stirlings Talent und die Nachdrücklichkeit einzelner Songs stehen außerfrage. Ihr unkonventioneller Sound füllt eine eigene Nische. Da geht es ihr schlussendlich wie der Violine im Orchester: Damit ist sie die Erste.

VÖ: 08.02.2013
We Love Music (Universal)

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