Ben Howard – Is It?

Ben Howard
(c) Toby Coulson

Im Frühling des Vorjahrs erlitt Ben Howard zwei Mini-Schlaganfälle, während denen er weder klar denken noch verständliche Sätze formulieren konnte. Nach einem Monat im Krankenhaus mit Tests ohne eindeutigem Ergebnis zog es ihn samt Band nach Frankreich, um neue Musik aufzunehmen. Es war brütend heiß, die Klimaanlage gab den Geist auf, und aufgrund der gesundheitlichen Belastung der letzten Monate verbrachte der britische Singer/Songwriter viel Zeit schlafend. Das hört man dem Nachfolger seines zweiten britischen Nummer-Eins-Albums „Collections From The Whiteout“ (das dritte Top-20-Werk in Deutschland in Folge) jedoch kaum an. „Is It?“ setzt sich mit der Absurdität einer beängstigenden Zeit offensiv und zugleich fragmentiert auseinander.

„Couldn’t Make It Up“ packt die befremdliche jüngste Vergangenheit bereits in den Titel und täuscht zugleich darüber hinweg, dass es sich beim neuesten Streich, wie Howard betont, überwiegend um ein Gitarrenalbum handelt. Feinsinnige elektronische Spielerei, ein recht forscher Beat und der unerwartet vergnügliche, verspielte Gesang tänzeln durch vier gerne mal nachdenkliche und doch aufgeschlossene Minuten. Danach lässt „Walking Backwards“ etwaige Indie-Folk-Erwartungen mit Elektronik kollidieren, was prima funktioniert. Eine klassische Singer/Songwriter-Nummer trifft auf synthetische Motivation, von nachdenklicher Sehnsucht begleitet, und wird zu neuen Ufern gespült.

Die anfängliche Melodie von „Interim Of Sense“ überrascht mit Math-Untertönen, die jedoch schnell erdigeren Experimenten weichen. Howards Vocals wirken wie der Ruhepol und stiften zugleich wertvolle Ordnung, während sich das Arrangement im butterweichen, zugleich ominösen Refrain beruhigt. Der beateske Minimalismus von „Spirit“ holt Post-Dubstep-Ideen in die Gegenwart und paart sie mit früher Four Tet-Entfremdung, ohne dabei vertraute Gefilde hinter sich zu lassen. Erst spät nimmt der Track Fahrt auf, bleibt dafür hängen. Das gerne mal meditierende „Days Of Lantana“ scheint die angedachten Gitarrenmelodien mit anderen Instrumenten nachzuspielen – ein Fest inmitten stoischer Ruhe.

Howards bezaubernde Klangmagie bleibt weiterhin enthalten, wenngleich der typische Radio-Hit dieses Mal fehlt (wobei diese auch in der Vergangenheit mehr willkommener Zufall waren). „Is It?“ spielt mit neuer Unsicherheit und alter Lebenslust, wirkt gezeichnet von gesundheitlichen Schocks und findet zugleich einen Weg nach vorne. Ebenso hört man Ben Howards neuem Album an, dass nach den Aufnahmen lange an den Songs geschraubt, ordentlich mit Entfremdung und Synthetik gearbeitet wurde. Das Ergebnis zeigt sich unwirklich und zugleich eindringlich – ein seltenes Kunststück, dennoch zu jeder Zeit sinnig und stimmig präsentiert. Ben Howard zeigt eine vertraute und doch etwas andere Seite, und das macht unheimlich Laune.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.06.2023
Erhältlich über: Island Records (Universal Music)

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