White Lung – Premonition

White Lung
(c) Lindsey Byrnes

Nach sechseinhalb langen Jahren melden sich White Lung endlich mit ihrem fünften Album zurück … und geben im selben Atemzug bekannt, dass es ihr letztes sein wird. Eigentlich hatte man sich bereits 2017 ins Studio begeben, um „Paradise“ einen Nachfolger zu spendieren. Während den Aufnahmen erfuhr Frontfrau Mish Barber-Way von ihrer Schwangerschaft. Ihr erstes Kind wurde geboren, danach folgte die Pandemie, schließlich kam ein zweites Baby und rundherum veränderte sich so ziemlich alles. Entsprechend dankt das kanadische Trio mit „Premonition“ ab – so laut und energisch wie immer.

Geburt und Wiedergeburt, wachsen und erwachsen werden, ohne dabei die jugendliche Energie zu verlieren: White Lung befinden sich am Scheideweg, was man ihnen zu keiner Zeit anhört. „Hysteric“ eröffnet das Album mit gewohnt furioser Energie zwischen Punk und Wave, von ordentlich Distortion und Hall begleitet, während Barber-Way die Fäden zusammenlaufen lässt, souverän über den Dingen steht. „Date Night“ gibt sich sogar noch eine Spur wilder, ist nur einen kleinen Wutausbruch von den ähnlich fantastischen Brutus entfernt. Brütendes Dickicht, feinsinnige Melodien und hohes Tempo lassen keinen Raum für hoffnungsvolles Innehalten.

Zu den Highlights zählt ohne Frage „Girl“, einer der härtesten Tracks im Katalog des Trios, dessen frontale Punk-Energie nicht zum letzten Mal dezent in Richtung Hardcore schielt, dabei aber so unfassbar hymnisch bleibt. „Tomorrow“ schrieb Barber-Way, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Der suchende bis schwermütige Unterton harmoniert prima mit den explosiven Drums und dem bratenden Bass, die Gitarre flirrt über dem Arrangement, das sich wiederholt entlädt. „Winter“ beschließt den Reigen mit furiosem Tempo und einem Refrain, dessen Pop-Appeal einmal mehr den chaotischen wie mitreißenden Punk geschickt sortiert.

Kaum ist der letzte Ton verhallt, stellt sich das große Vermissen ein, und die Repeat-Taste atmet schwer. White Lung verabschieden sich mit einem Husarenritt von einem Album, vielleicht sogar ihrem bislang besten Werk. Sie zeigen, wie sehr man sie vermisst hat, und wie sehr man sie vermissen wird, denn „Premonition“ ist ein verdammtes Brett geworden. Atemlose Übersongs schrauben das Niveau in höchste Höhen, beflügelt vom steten Spannungsverhältnis zwischen Punk-Chaos, grandiosen Melodien und nicht minder kurzweiligen Texten. Schon jetzt fehlt das fantastische kanadische Trio gewaltig, und nach dieser herausragenden halben Stunde gilt das doppelt und dreifach.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 02.12.2022
Erhältlich über: Domino Records (GoodToGo)

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