Baroness – Purple
Im August 2012, nur einen Monat nach der Veröffentlichung von „Yellow & Green“, drohte ein schwerer Busunfall die Karriere von Baroness jäh zu beenden. Wie durch ein Wunder gab es keine Toten, doch die Narben blieben bis heute. Die komplette Rhythmusabteilung zog sich als Folge ihrer Verletzungen zurück, Frontmann John Baizley kämpft vor allem noch mit den seelischen Nachwirkungen. Umso beeindruckender ist es, mit „Purple“ nun eine neue Platte in den Händen zu halten.
Wenig überraschend verarbeitet das Quartett – nun mit Bassist Nick Jost und Trans Am-Schlagzeuger Sebastian Thomson – den schweren Einschnitt in ihr (Band-)Leben und gewinnt daraus neue Kraft. Da wäre beispielsweise „Shock Me“, eines von vielen riffgetriebenen Monstern, das vor allem die „Yellow“-Seite des letzten Albums aufgreift und somit Pop-Appeal mit mächtigem Prog-Sludge vermengt. Hier hört man auch, dass sich die US-Amerikaner mit Dave Fridmann einen Produzenten ins Boot geholt haben, der eigentlich für Arbeiten mit weitestgehend konträren Künstlern – The Flaming Lips, Low und Sleater-Kinney – bekannt ist. Nicht nur hier spricht das Endergebnis für sich: ein fleischgewordener Arschtritt mit allen Bandtrademarks und jenen Hooks, von denen sich Torche zuletzt ein wenig verabschiedet hatten.
Epische Monstrosität ist dennoch bestenfalls eine Randerscheinung. Wenn sie dann mal, wie im ersten Vorbote „Chlorine & Wine“, unvermittelt aus dem Boden schießt, stimmt so ziemlich alles. Vom klaren, nackten Auftakt über die konstante Zunahme von Distortion und Riffwand bis zum abschließenden Chor mit der lebensbejahenden Zeile „please don’t lay me down“ kommen keine Zweifel auf. Im direkten Anschluss wagt sich „The Iron Bell“ an ungewohnt geradlinige rhythmische Strukturen, wenn auch von Synthi- und Psychedelic-Effekten brutal zersetzt. Im Gegensatz dazu erinnert das brachiale „Kerosene“ stellenweise an die Anfangstage und bleibt dabei doch stets unwahrscheinlich eingängig.
Ein Klassikeralbum ist „Purple“ dennoch nicht, weil einige Tracks nicht so recht aus den Startblöcken herauskommen. Dazu zählt leider auch das semi-balladeske, von Synthis und brodelnder Atmosphäre getragene „If I Have To Wake Up (Would You Stop The Rain?)“, in dem Baizley die Minuten nach dem großen Crash verarbeitet, als er merkte, dass er trotz schwerer Verletzungen überlebt hatte. Aus dieser Erleichterung ragen gar einzelne Brian May-Harmonien hervor – interessant, letztlich aber eine Spur zu viel Handbremse.
Den rifflosen, vergleichsweise spärlich instrumentierten Weg von „Yellow & Green“ lassen Baroness fast vollständig hinter sich, legen dafür noch größeren Wert auf Pop-Appeal in Kombination mit wuchtigen, eingängigen Riffs. Natürlich ist das für „Purple“ herangezogene Rezept keineswegs neu, und doch funktioniert der Exkurs, weil letztlich alles, was dieses Quartett ausmacht, fast durchgehend auf den Punkt präsent ist und begeistert. Viel wichtiger noch – sie sind nach wie vor hier und machen weiter. Chapeau dafür, Chapeau für einen gleichermaßen bewegenden wie hoffnungsvollen Jahresabschluss.
Purple
VÖ: 18.12.2015
Abraxan Hymns / Vertigo/Capitol (Universal Music)
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