David Bowie – ★ (Blackstar)
Altersmilde? Nicht mit David Bowie! Das Chamäleon der Populärmusik ist immer wieder für Überraschungen gut. Auf den Tag genau vor drei Jahren meldete er sich mit neuem Material zurück und zeigte sich auf „The New Day“ von seiner konventionellen Seite. Zu seinem 69. Geburtstag beschenkt sich die britische Legende nun selbst. Hinter dem als ★ stilisierten „Blackstar“, Bowies 25. Studioalbum, steckt eine wilde Mischung aus experimentellem Jazz und verquerer Elektronik, die an seine vielleicht schrägsten Alben in den 90er Jahren erinnert.
In sieben teils ellenlangen Kapiteln eiert der Thin White Duke um sein Selbstverständnis herum. Das titelgebende „Blackstar“ ist als Opener und erster Vorbote ideal. Mit stattlichen zehn Minuten Spielzeit sprengt dieses Kleinod, erstmals im Anspann zur Miniserie „The Last Panthers“ zu hören gewesen, sämtliche Erwartungen. Der dünne, leicht entfremdete Gesang schwebt über hektischen Rhythmen und ein wenig Bassgewitter. Je länger der Track dauert, desto stärker tritt die Avantgarde-Jazz-Ummantelung an die Oberfläche. Zwischen Saxofon, kurzem Balladenteil und rhythmischer Polyvalenz spielt dieses komplexe Meisterwerk alle Stückchen.
Wie weit der Weg zwischen „The New Day“ und ★ tatsächlich ist, illustriert wohl am besten „Sue (Or In A Season Of Crime)“. Ursprünglich Ende 2014 auf der Werkschau „Nothing Has Changed“ erschienen, treibt David Bowie diese Tour de Force nach änfänglich druckvollem Gitarrenmotiv nach und nach gen Abgrund. Wilde Saxophon-Improvisationen treffen auf hektisches Programming, bevor dieser Track schließlich im Drum’n’Bass-Sumpf mündet und komplett entgleist. Erinnerungen an das „Earthling“-Album aus dem Jahr 1997 werden wach.
Zu den konventionellsten, eingängigsten Tracks zählt noch „Dollar Days“, das trotz dezentem Synthi-Einschlag und dominantem Saxophon ein wenig an die Nachdenklichkeit von „‚Hours…'“ erinnert. Spätestens im fuchsteufelswilden, verqueren „‚Tis A Pity She Was A Whore“ verliert der Meister endgültig die Contenance. Immer wieder überschlägt sich seine Stimme, bevor er den Mitmusikern die Bühne überlässt. Auch hier mutiert das alles überstrahlende Saxophon zum dominierenden Instrument und setzt ein weiteres wuchtiges Ausrufezeichen.
Bowie und Produzent Tony Visconti wollten alles, nur kein weiteres Rock’n’Roll-Album aufnehmen. Tatsächlich kommt ★ weitestgehend ohne (dominante) Gitarren aus und lebt von leidenschaftlichen Improvisationen sowie elektronischen Überraschungen (James Murphy von LCD Soundsystem hatte ebenfalls seine Hände im Spiel). Kauzig, beinahe anti-kommerziell und doch eine alles überstrahlende Offenbarung – es ist der x-te Frühling für einen der wichtigsten Musiker der letzten fünf Dekaden. Kaum zu glauben, das David Bowie nächstes Jahr 70 wird.
★ (Blackstar)
VÖ: 08.01.2016
Columbia Records (Sony Music)
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