Twin Dive – Lavish Material
Grunge ist noch lange nicht tot, aktuell in Dänemark gut nachzuhören. Twin Dive begannen 2018 als Duo, das sich der ruppigen Seite des 90s-Sounds mit Lo-Fi- und Noise-Unterstützung verschrieb. Sänger und Gitarrist Robert Jancevic frontet das Projekt aktuell alleine, wiewohl er eine komplette Band hinter sich weiß. In den vergangenen Jahren erschienen immer wieder Songs, vor allem mit seinem musikalischen Partner Ragnar Gudmundsson, nun gibt es sogar ein ganzes Album. „Lavish Material“ fasst ältere und neue Tracks auf herrlich ruppige Weise zusammen.
Schroff, dreckig und doch irgendwie eingängig, so präsentiert sich das Gros des Materials. „Let Light In“ schmerzt so schön und ranzig, ein wunderbar abgehangenes Stück Musik, das von Jancevic‘ ebenso rauer Stimme lebt, dabei im Refrain doch eine gewisse Eingängigkeit findet. Das folgende „Animal“ erstreckt sich hingegen über mehr als sieben Minuten und lotet Grenzen aus, betont zäh und minimalistisch. Twin Dive holen das Maximum aus ihrem Lo-Fi-Ansatz heraus, geben sich durchaus meditativ, kommen aber nicht wirklich auf den Punkt – ein Experiment, das nicht so recht aufgehen will, jedoch über interessante Ansätze verfügt.
Dass die Überlänge funktionieren kann, zeigt „Blue Husky“. Wuchtige Drums und ein ebenso knackiger Basslauf treiben das Geschehen an, darüber wechselt Jancevic zwischen poppig angehauchten Motiven, bluesigen Auswüchsen und Post-Grunge, der mit Noise kollidiert. Auch das eröffnende „Biblical“ gibt sich luftig und beißend zugleich, lebt das Wechselspiel der Stimmungen vor, zeugt von Gegensätzen und einer ruppigen Gitarre. Hingegen fällt das Schlussduo betont laut und abgefuckt aus. „Joy Will Follow“ und Say His Name“ sprengen Genregrenzen und wirken selbst für Noise Rock übermäßig sperrig, wenngleich richtig gut und abgewrackt.
Ja, es dauert geraume Zeit, bis Twin Dive ihren Sound gefunden haben, der sich eigentlich nicht wirklich eingrenzen lässt, geschweige denn will. Grunge und Noise bilden das Rückgrat von „Lavish Material“, dessen nervöse Energie und verkapptes Pop-Appeal für spannende Kollisionen sorgt. Hier prallen Welten aufeinander, die wie eine Rundreise durch die 90er – ruppige Underground-Anfänge, hymnischer Mainstream-Erfolg, Post-Nachlassverwaltung mit Radiofreundlichkeit, Rückkehr zum Wahnsinn – anmuten. Twin Dive fordern heraus und nehmen doch in den Arm – ein interessantes, betont imperfektes Werk mit Grower-Potenzial.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 09.09.2022
Erhältlich über: Eigenvertrieb
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