Gran Noir – Electronic Eyes

Gran Noir

Das digitale Zeitalter birgt so manche Schattenseite in sich. Vereinsamung, Ausbeutung und Kontrollverlust sind drei Schlagworte, mit denen sich Gran Noir aktuell beschäftigen. Das in Peking gegründete schweizerisch-deutsche Quintett debütierte bereits vor sechs Jahren mit kraft- und anspruchsvollem Alternative Rock, der Eingängigkeit neben ausgeklügelte Konzepte stellt. „Electronic Eyes“ ist ihr zweites Studioalbum, das so manche vertraute Note in sich trägt.

Langsam, behutsam entfaltet der Opener „Universe Next Door“ seine Strahlkraft. Die nachdenklichen, fragilen Strophen entwickeln sich im Verlauf dieses Zweitlings zum Gran Noir’schen Markenzeichen, getragen von Pascals kraftvoller und doch emotional aufgeladener Stimme, die im intensiven Refrain erst so richtig aufblüht. Dezent proggige Untertöne, die nicht nur hier an die alte Muse-Schule erinnern, begleiten das Geschehen. Gran Noir halten aber nichts von kauziger, leicht schriller Saitenhexerei, sondern bemühen sich bevorzugt um mächtige Hooks, die ein wenig an die US-Radio-Rock-Szene um den Jahrtausendwechsel erinnern.

Die folgende Video-Auskopplung „Lost At Home“ setzt noch einen drauf. Ein Hauch von Melancholie zieht sich durch den dicken Chorus. Incubus schimmern hier durch, während die schaumgebremst wütenden Riffs zwischendurch sogar ein wenig Post-Hardcore-Wucht mitbringen. Für „Walking Dead“ packen die Deutsch-Schweizer eine Prise Punk und einen Hauch Stoner drauf, nur um mit dem gewaltigen „Aerial View“ eine grandiose, intensive Hymne durchzuboxen, die nicht nur wegen ihres Titels an Blackmail erinnert. Schließlich trumpft „Sydney Calling“ mit echten Desert-Riffs auf, während der Rausschmeißer „Oaxaca“ selbst mit schwülstiger, semi-balladesker Lagerfeuer-Stimmung umgehen kann.

„Electronic Eyes“ hat durchaus mit kleineren Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen, wirkt anfangs eine Spur zu nett und schaumgebremst. Mit jedem weiteren Durchlauf entfalten die kleinen Hits dieser Platte jedoch mehr und mehr ihre volle Wirkung. Den mächtigen Hooklines von Gran Noir kann man sich nicht entziehen, durchaus vertraute und doch eigenständige Klänge tragen ihr Übriges bei. Bleibt unterm Strich eine mehr als unterhaltsame zweite Platte mit großem Suchtfaktor und konzeptueller Cleverness – definitiv ein Alternative-Rock-Versprechen für die Zukunft.

Gran Noir - Electronic Eyes

Electronic Eyes
VÖ: 01.09.2017
Lake Drive Records International

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