Trevor Powers – Mulberry Violence
Was genau hat Trevor Powers eigentlich vor? Seitdem er sein Projekt Youth Lagoon ad acta legte, sammelte er auf seinen Reisen eine erkleckliche wie bizarre Klang-Bibliothek, die sich nun auf einem neuen Album unter neuem Namen entlädt. Avantgarde nennt man das vielleicht, gelegentlich auch Electro-Pop oder Synth-Pop. Tatsächlich schwebt „Mulberry Violence“ beharrlich zwischen den Welten und sucht konstant nach Sound-Erleuchtungen.
Bizarr muten diese gut 36 Minuten an, wohl aber auch immer wieder bärenstark. „Film It All“ ist eine jener Episoden, die sofort zündet. Soulige Leidenschaft trifft beateske Dekonstruktion und fordernden Pop. Das Umfeld ist schroff, riecht nach industriellem Kargland und fährt mit scharfen Messern durch Mark und Bein. Ebenfalls packend: „Clad In Skin“. Hier wollen gewisse Umwege in Kauf genommen werden, um das Saxophon und den legeren Beat so richtig zu genießen. Trevor Powers scheint stets ein wenig neben der Spur zu hängen und spielt mit Kakophonie, nur um, ganz unerwartet, feine Harmonien durchschimmern zu lassen.
Im konstanten Balanceakt zwischen Kunst und Krempel verharrt auch „XTQ Idol“ und bringt Probleme wie auch Stärken des Albums auf den Punkt. Gerade die Vocals gehen unter die Haut, reißen mit und entwickeln in den gemächlichen Teilen des Arrangements eine fieberhafte Eigendynamik. Je länger der Track jedoch dauert, desto komplexer mutet er an, desto schwerer lassen sich die Einschübe und Interludes nachvollziehen. Ein „Plaster Saint“ bombardiert beispielsweise Post-Dubstep mit einem Piano-Ballädchen, was über weite Strecken gut geht, während sich „Playwright“ trotz interessanter Ideen in allerlei Soundspielereien zu verheddern droht.
Vielleicht ist „Mulberry Violence“ einen Ticken übermotiviert ausgefallen. Trevor Powers kann verdammt viel, verfügt über eine grandiose Sammlung an Sounds und Bleeps, scheint jedoch gelegentlich eine Spur zu viel in die Tracks zu packen. Der V-Effekt greift auf Umwegen, gerade weil sich darunter richtig gute Pop-Arrangements verbergen. Klar, das liest sich übermäßig streng, zumal hier unheimlich großartige Ideen zu finden sind. Powers wäre ein begnadeter Songwriter und Klangkünstler. Sein Debüt unter diesem Namen geht in eine spannende Richtung, muss sich aber nun entscheiden: Kunst oder Krempel?
Mulberry Violence
VÖ: 17.08.2018
Baby Halo (AL!VE)
Trevor Powers @ Facebook
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