Marika Hackman – Big Sigh

Marika Hackman
(c) Steve Gullick

Endlich ist sie fertig, ihre ‚härteste Platte‘. So nennt Marika Hackman ihr neuestes Werk, und das kommt nicht von ungefähr. Der Kontrollverlust während der Pandemie traft die 31jährige Britin hart, und so musste sie sich intensiv mit ihren Angstzuständen auseinandersetzen. Das Ergebnis war eine kapitale Schreibblockade, die sich erst nach Aufhebung der Beschränkungen löste. Plötzlich war der Bann gebrochen, Hackman bemühte sich zugleich um musikalische Öffnung und stellte ihren gerne mal kunstvollen Pop-Ansatz breiter auf. „Big Sigh“ darf als Seufzer der Erleichterung verstanden werden, trägt aber auch viele andere Emotionen in sich.

„Hanging“ löste einst die Blockade, ein Song über das schrittweise Ende einer Beziehung, das zugleich die musikalische Vielfalt dieser Platte prima zusammenfasst. Feinsinnige Leisetreterei trifft auf laute Intensität in einem überdimensionalen Schlussakt, der den künstlerisch wertigen Ansatz geschickt vertont. Auch „Slime“ mag es gerne etwas lauter, rückt ausnahmsweise die Gitarren etwas weiter nach vorne und tankt sich durch eine aufregende wie aufwühlende Sinnsuche. Alles ist wirr und seltsam – eine Abhandlung über das Chaos zu Beginn einer Beziehung, also das krasse Gegenstück, gerne mal schroff, doch immer harmoniebedürftig.

Eine echte Überraschung ist „The Ground“, der reduzierte Opener mit seinen Schleifen, die immer kraftvoller werden, von minimalstem Stimmeinsatz begleitet. Perfekt gelingt die Überleitung in „No Caffeine“, ein weiterer lebhafter Song, der mit verschachtelten Drums und einem Hauch von Jazz überrascht. Hier treffen Welten aufeinander und kollidieren gar spektakulär, während die Schleifen sogar cineastische Qualitäten aufweisen. In „The Lonely House“ schweigt Hackman dafür komplett und lässt das Klavier zögerlich voranschreiten. Die ominöse Melancholie von „Please Don’t Be So Kind“ sucht konstant und findet ohrenbetäubende Erfüllung.

Mit vollem Einsatz versucht Hackman dem Selbst zu entfliehen, Beziehungen zu vergessen, Blockaden zu sprengen. Tatsächlich gelingt das verdammt gut und macht diese härteste Platte zugleich ungemein lohnenswert. Was sich in „Big Sigh“ alles an Magie und Intensität verbirgt, reißt durchaus begeistert und begeisternd von den Sitzen. Marika Hackman drängt ihren alternativen Pop-Ansatz mehr und mehr in Art-Gefilde, ohne sich komplett der Selbstverliebtheit hinzugeben. Stattdessen dienen neue Werkzeuge dazu, neues Selbstbewusstsein zu finden, ohne dabei die Schwere und die Frustration der jüngeren Vergangenheit auszuklammern – ein ganz wichtiges, spannendes Album.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 12.01.2024
Erhältlich über: Chrysalis Records (Cargo Records)

Website: marikahackman.com
Facebook: www.facebook.com/MarikaHackman