Turbostaat – Uthlande

Turbostaat
(c) Andreas Hornoff

Mit ihren assoziativen Texten, der kompromisslosen Haltung und einem Ur-Verständnis für Punk, der viel mehr ist, als es dieser Begriff vermuten lässt, erfüllen Turbostaat seit bald zwei Jahrzehnten eine Art Vorbildwirkung für Generationen an Bands. Auf ihr Konzeptwerk „Abalonia“ und die starke Live-Platte „Nachtbrot“ folgt nun „Uthlande“. Von einem alten Begriff für die Inseln, Halligen und Marschen vor dem nordfriesischen Festland befeuert, richtet sich das lyrische Auge dieses Mal auf das Geschehen vor der eigenen Haustüre, von einem etwas punkigeren Sound begleitet.

Die politische und gesellschaftliche Situation im Land lässt die Band natürlich nicht kalt. „Rattenlinie Nord“, Opener und erste Single zugleich, verwendet den Begriff für die Fluchtroute hochrangiger NS-Verbrecher gen Flensburg als pointierten Rundumschlag. Wer die besungenen neuen Henker sind, die Einzug halten, kann man sich angesichts der politischen Landkarte prima ausmalen. Weitere Tracks und Zeilen lassen ähnliche Interpretationen zu, darunter das großartige „Wer den Schnee umarmt, wird die Kälte akzeptieren“ im gewaltigen „Brockengeist“. Beklemmende Stimmung, Klargesang im Refrain und wohlige Schwere durchziehen fünf magische Minuten.

Insgesamt scheint „Uthlande“ verstärkt den Geist früherer Turbostaat-Werke zu atmen – weniger Indie, mehr Punk. Dafür stehen unter anderem „Stine“, ein sich selbst überrumpelnder Sprinter, oder das im besten Sinne unbequeme „Heilehaus“ Pate. Rundherum schart sich so mancher, auf andere Weise begeisternder Moment. In „Ein schönes Blau“ blubbern Post-Gitarren und dezente Emo-Vibes mit, das zähe „Stormi“ lässt einen Kinderchor auf verwaschene rhythmische Muster treffen und „La Hague“ strahlt konstante Unruhe aus, die schließlich in einem wütendem Beat-em-Up-Finale mündet. Und dann wäre da noch „Schwienholt“, der übersehene Hit dieser Platte, der eigentlich keiner sein will.

Kann man „Uthlande“ als typisches Turbostaat-Album bezeichnen? Gibt es so etwas überhaupt? Die Bilder sind über weite Strecken scheinbar abstrakt, nur um im richtigen, im konkreten Fall Gestalt anzunehmen. Musikalisch kehren die Nord-Schuster eine Spur zurück zu ihren Leisten, klingen wieder (post-)punkiger und vermengen eingängige Momente mit sperrigen bis pumpenden Wellenbrechern. Man hat sich mittlerweile an die hohe Qualitätsstufe der Turbostaat-Releases gewöhnt. Ihr siebtes Studiowerk reiht sich nahtlos in diese illustre Riege ein.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 17.01.2020
Erhältlich über: PIAS Germany (Rough Trade)

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