Algiers – There Is No Year

Mit ihrer einzigartigen Version von Protestmusik rennen Algiers offene Türen bei Alternative-Hörern ein. Soul, Blues, RnB, Industrial, Post Punk und Rock sind nur einige der Zutaten, welche auf den beiden letzten Alben hochspannende Herangehensweisen an gängige Klangschemata hervorbrachten. Mit den Produzenten Randall Dunn, der bereits mit den Drone-Königen Sunn O))) arbeitete, und Ben Greenberg verlieh man dem urgewaltigen Sound auf „There Is No Year“ eine neue, nicht minder spannende Struktur. Fieberhafter, feinsinniger und noch nervöser – und nach wie vor ohne Blatt vor dem Mund.
Das eröffnende Doppel gibt die Schlagzahl im wahrsten Sinne des Wortes vor. Mit dem Titelsong wäre ein unbequemer Aufgalopp gefunden, in dem sämtliche Fäden zusammenlaufen. Blubbernde Elektronik, Matt Tongs gewohnt wuchtiges Schlagzeugspiel und Franklin James Fishers grandiose Predigten kollidieren mit schroffen Elementen. „Dispossession“ setzt sich mit der Art und Weise, wie Geschichte einfach vergessen bzw. ignoriert wird, auseinander. Deutlich mehr Soul mit finsteren Gitarren im Schlussdrittel geben dem Track eine beinahe traditionelle Atmosphäre und unterstreichen den Willen der Band, die feine Klinge durchzuziehen.
Was dieses dritte Album so spannend macht, ist seine Unberechenbarkeit. Nie weiß man so genau, was an der nächsten Ecke lauert. Im Fall von „Wait For The Sound“ wären das beklemmende Finsternis und gespenstische Atmosphäre, so wie Zeal & Ardor kurz vor der Explosion. Für „Hour Of The Furnaces“ ist es hingegen eine oberflächliche Verspieltheit, welche im richtigen Moment in Unruhe umschlägt. Nur selten ziehen Algiers ihren ruppigen Stiefel konsequent durch, so wie im beseelten Post-Punk-Finale „Void“, dessen laute Hektik sämtliche Sinne zu rauben droht. „Chaka“ geht vermutlich als krasses Gegenstück durch, ein funkiges, futuristisches Stück Electro-RnB mit Jazz-Einflüssen und Gospel-Chören.
Algiers stehen auch auf ihrer neuen Platte nicht still und wollen sich, selbst für diese Momentaufnahme, nicht so richtig einfangen lassen. Tatsächlich klingt „There Is No Year“ noch getriebener als seine Vorgänger, zerrt scheinbar gleichzeitig in sämtliche Himmelsrichtungen und erfindet noch ein paar weitere, um auch dorthin drängen zu können. Das kann bei den ersten ein bis zwei Durchläufen überfordern, legt jedoch mit der Zeit großartige, im besten Sinne beklemmende Momente frei, die beim ausgelassenen Tanz das Lachen im Halse ersticken lassen. Wie immer verlangen Algiers Mut und Geduld für ihren pointierten Protest, mit packenden Momenten in dichter Abfolge mehr als fürstlich entlohnt.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 17.01.2020
Erhältlich über: Matador Records / Beggars Group (Indigo)
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