Leto – Leben und tot

Leto
(c) Julius Dettmer

Keine Zeit für Floskeln, für Verstecken, für unklare Verhältnisse: Nach ihren starken ersten beiden Alben orientieren sich Leto neu und lassen ihren Bandnamen zugleich in den Titel ihres neuesten Werks einfließen. Verwirrende und verschachtelte Textfragmente haben hier definitiv nichts mehr zu suchen, zudem bricht man mehr und mehr aus gängigen Post-Punk-Erwartungen aus, während sich der lyrische Blick weiter auf das Selbst und die eigene Umgebung legt. „Leben und tot“ stellt in jeder Hinsicht eine kräftige, beherzte Öffnung dar, härter und deutlicher auf allen Ebenen, was dem Quartett aus Hamburg wunderbar bekommt.

Mit dem eröffnenden Doppel langen Leto gleich beherzt zu. „Süchtig nach allem“ wohnt eine gewisse Unruhe inne, die es im Refrain in punkige Gefilde zieht, hymnisch und zerstörerisch zugleich. Speziell die wuchtigen, beißenden Drums kommen gut, während die Strophen mit klaustrophober Sinnsuche kämpfen. Danach bemüht „Der tote Baron“ noch mehr Eingängigkeit, aber auch Urgewalt. Immer wieder dürfen die Stimmbänder Heiserkeit beweisen und steuern in (Post-)Hardcore-Gefilde – eine der zentralen Zutaten, die auch in der ansonsten herrlich hibbeligen, nervösen Single „Ostfriesland“ gelegentlich gegen die Post-Punk-Intensität ankämpft.

Es geht auch noch deutlicher, wie beispielsweise „Blackbox Lost“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. Hier treffen – nicht zum einzigen Mal auf diesem Album – Turbostaat auf Fjørt, unterkühlt und doch hitzig. Das sollte nicht funktionieren, macht aber Laune. Auch das stoische, später aufbrausende „Bei Jobs, die man nicht erklären kann, fließt das Geld entlang“ lebt von Gegensätzen, die das Innerste auffressen, während das überaus persönliche „Sechs“ angenehm an die Substanz geht und aufwühlt. Schließlich eskaliert „Pronomina“ mit wachsender Begeisterung aus der bleiernen Schwere heraus, bevor ein trauriger Basslauf den Untergang ankündigt.

Evolution statt Revolution, das bekommt Leto sehr gut. Zu keiner Zeit hat man vor, auf der Stelle zu treten, will aber auch nicht alles umwerfen und von vorne beginnen. „Leben und tot“ bringt frischen Wind, hat alle Elemente eines Übergangsalbum und steht doch selbstbewusst für sich. Die musikalische Reise der Hamburger scheint noch lange nicht abgeschlossen zu sein, was dieses dritte Album so spannend macht. Weiterhin Punk mit Post, zugleich deutlich härter und wütender, dahinter klare lyrische Kante – ein echtes Statement, das zugleich eine goldene kreative Zukunft andeutet.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 17.11.2023
Erhältlich über: Rookie Records (Indigo)

Website: www.letohamburg.de
Facebook: www.facebook.com/letohamburg