Anti-Flag – 20/20 Vision

Anti-Flag
(c) Josh Massie

Trotz ihrer überaus politischen Ausrichtung, die vor allem in den Texten stets durchscheint, vermieden es Anti-Flag bislang tunlichst, sich auf ihren Platten einer bestimmten Person zu widmen. Besondere Zeiten erfordern allerdings besondere Mittel, und so ist US-Präsident Donald Trump das Ziel von „20/20 Vision“. Er und sein Vize Mike Pence sowie alle Menschen, die neofaschistische Ideen verfolgen oder deren Verbreitung ermöglich, die offen rassistisch, sexistisch, homophob oder transphob sind, sollen sich vom Nachfolger zu „American Fall“ angesprochen fühlen.

Ein von bedrohlich aufheulenden Gitarren begleitetes Trump-Zitat eröffnet „Hate Conquers All“. Im Zentrum steht die Normalisierung des alltäglichen Wahnsinns, begleitet von salonfähigem Hass. Wer protestierte, wurde „in den guten, alten Zeiten“ sehr grob behandelt, so die Worte der bizarren orangen Type. Anti-Flag schneidern einen ruppigen, druckvollen Track im wütenden Midtempo rundherum, der in ungewohnt harte Gefilde schielt. Das folgende „It Went Off Like A Bomb“ wirkt im Vergleich dazu fast schon hymnisch und eingängig, ohne jedoch auf drastische Worte und Gesten zu verzichten. Die Lager wären bereits abgesteckt.

Das fragile, stellenweise hoffnungslos anmutende „Un-American“ überrascht mit schleppender Gemächlichkeit und ein wenig Piano. Von einer klassischen Ballade bleibt das Quartett aber natürlich weit entfernt. Stattdessen setzt es ur-typische Anti-Flag-Tracks, wie das rasante und doch eingängige „Don’t Let The Bastards Get You Down“, das in ähnlicher Form auch auf den letzten Platten prima funktioniert hätte. „Unbreakable“ drängt hingegen stärker in von Green Day bevölkerte Rock-Gefilde und „Resistance Frequencies“ schlägt die etatmäßige Brücke zu Ska. Schließlich bringt „Christian Nationalist“ dieses neue Album auf den Punkt – bissig, demaskierend und dabei doch hymnisch, so wie es eben nur die US-Punks können.

Musikalisch weitestgehend wie immer, lyrisch mit präzisem Visier: Anti-Flag sind endgültig in der Trump-Ära angekommen und hoffen zugleich den Schwanengesang auf diese finstere Epoche vorgelegt zu haben. „20/20 Vision“, natürlich mit dem Wort- bzw. Zahlenspiel zum entscheidenden Wahljahr 2020 versehen, reiht sich nahtlos in die Riege gut- bis hochklassiger Anti-Flag-Platten der letzten Jahre ein – gewohnt furios, mitreißend, eingängig und unnachgiebig. Man weiß mittlerweile, was man bekommt, und das ist verdammt gute Kost für Herz und Hirn.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 17.01.2020
Erhältlich über: Spinefarm Records (Universal Music)

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